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Der Brief ist in vlaemischer und lateinischer Sprache ge-
schrieben und ist den verschiedenen Ausgaben von Franciscus
Junius Buch "de pictura Veterumr, deren erste 1637 zu Am-
sterdam erschienen ist (s. u. Nr. 57) l), vorgedruckt. Bottari
hat ihn in seine Raccolta (vol. lV. p. 19) mit Uebersetzung der
vlaemischen Stellen ins Italienische aufgenommen. In unserer
Uebersetzung sind die lateinischen Stellen des Originals durch
Anführungszeichen hervorgehoben. Dass letzteres sehr eilig ge-
schrieben ist, geht aus dem Zusatz zum Datum iraptim et
stans pede in unou, in Hast und gleichsam auf einem Fusse
stehend, hervor. Ueber das Werk selbst genügt hier die Be-
merkung, dass dasselbe in dem Briefe sehr richtig charakterisirt
und mit vollem Rechte gelobt wird. Mit der Person des Ver-
fassers ist Rubens vielleicht schon in England bekannt gewor-
den, wo derselbe seit dem Jahre 1620 in dem Hause des Grafen
Arundel lebte, dessen Berührung mit Rubens wir schon oben her-
vorgehoben haben. Franciscus Junius war 1591 in Heidelberg
geboren, hat aber seine Erziehung und erste Ausbildung in den
Niederlanden genossen, so dass Graevius, der sein Leben be-
schrieben hat, das Vlaemische als seine Muttesprache (lingua
vernacula) bezeichnet. Daher lässt es sich erklären, dass Ru-
bens einen Theil seines Briefes vlaemisch schrieb. Als dies ge-
schah, lebte übrigens Junius noch im Hause des Grafen Arunde],
wo er sein Werk geschrieben und von wo aus er dasselbe nach
Amsterdam geschickt hat. Ob er die Absicht gehabt, dem Werke
über die alte Malerei ein gleiches über die neuere folgen zu
lassen, lasst sich, so viel ich wenigstens weiss, nicht mit Ge-
wissheit bestimmen. Jedenfalls aber ist ein solches Werk von
ihm erwartet worden, sonst hatte Rubens wohl kaum das erste
nur als einen Vorläufer zu jenem zweiten betrachten können,
wie aus dem Bilde des "Vorgerichtesa und der nHauptmahlzeita
am Schlusse des Briefes hervorgeht.
Die hohe Verehrung für die antike Kunst, die aus Rubens'
obigen Aensserungen hervorgeht, wird auch anderweitig bestä-
tigt. Namentlich ist in dieser Beziehung ein lateinischer Aufsatz
über das Studium der antiken Statuen wichtig, welchen De Piles
in seinem Cours de peinture nach Rubens' Manuskript hat ab-
drucken lassen und von dem wir hier einen Theil nach Waa-
1) In spätgren Aqsgaben, Wie l- B. h) der von Rotterdam 1694, sind
auch noch zwel Schrelben von Hugo Gronus vom Jahre 1638 mitgetheilt.