Volltext: Kunst und Künstler des siebzehnten Jahrhunderts (Bd. 2)

RUBENS 
an 
GEVAERTS. 
hladrid, 
29. December 1628. 
Mein Herr! Diese meine Antwort in deutscher Sprache 1) 
wird Ihnen hinlänglich zu erkennen geben, dass ich die Ehre 
nicht verdiene, welche mir EW. Herrl. mit Ihren lateinischen 
Briefen anthut. Meine Uebung und meine vStudien in den 
schönen Wissenschaftem liegen schon so weit hinter mir, dass 
ich sogleich die Bitte wum die Erlaubniss, Fehler machen zu 
dürfem, hätte vorausschickeu müssen. vErlassen Sie es also, 
ich bitte Sie, mir, dem so bejahrten Manne, noch einmal mit 
den Knaben in die langstverlassene Schule zu gehenla Ich habe 
mir einige Mühe gegeben, um zu erfahren, ob es möglich wäre, 
in Privat-Bibliotheken etwas mehr von Ihrem Marcus (Aurelius 
Antoninus) aufzufinden, als davon bis jetzt bekannt ist; habe 
indess noch nichts auftreiben können. wAllerdings behaupten 
Einige, sie hätten in jener berühmten Sammlung von S. Lorenzo 
zwei handschriftliche Codices, unter der Aufschrift des göttlichen 
Marcus, gesehen. Aus den übrigen Umständen indess, so wie 
aus dem Gewicht und dem Ansehen der Codices (ich hatte es 
mit einem des Griechischen ganz unkundigen Manne zu thun), 
schliesse ich, dass nichts Grosses oder Neues daran ist, sondern 
dass es nur die gewöhnlichen und längst bekannten Werke des 
Marcus sind. Ob aber etwa aus deren Vergleichung irgend ein 
Licht für den Schriftsteller gewonnen, oder etlicher Unrath aus 
demselben beseitigßwerden könne 2), das ist nicht meines Amtes 
l) Der Brief ist, wie Rubens selbst sich ausdrückt, „in duytsche taele" 
geschrieben, d. h. llämisoh. Jedoch sind viele lange Sätze in lateinischer 
Sprache eingemischt, die wir durch Anführungs-Zeichen im Text hervor- 
gehoben haben. 
2) Si qua lux aut sordium eluvies ex illorum eollatione erui possit non 
es; meum perscrutari. Die Üebersetzung Gachefs: „Si l'on peut  en tirer 
quelque lumiere ou un döluge de gloses" scheint auf einem Missverständ- 
nisse zu beruhen.
	        
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