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dass er berufen wurde, für die Geschicke seines Volkes mitzu-
wirken. Eine der ruhmvollsten Seiten in Rubens' Leben ist
seine politische Thätigkeit. Ich meine nicht die äusseren Ehren,
mit denen ihn die ersten Höfe der Welt überhäuften. Diese hat
er mit vielen Staatsmännern traurigen Rufes zu theilen. Ich
meine den grösseren Ruhm, immer nach seiner Ueberzeugung
und immer nur für Einen Zweck gewirkt zu haben, den er ein-
mal als heilbringend für sein Vaterland erkannt hatte. Ohne
auf seine politischen Ansichten 1) und auf die Einzelheiten sei-
ner diplomatischen Laufbahn einzugehen, die erst kürzlich eine
erschöpfende Behandlung erfahren hat 2), soll hier nur die eine
leitende Idee derselben hervorgehoben werden. Von dem Augen-
blicke an, dass Rubens zu politischer Thätigkeit berufen wurde,
hat er keinen anderen Zweck verfolgt, als unter den gegebenen
Verhältnissen für sein Vaterland zu Wirken, den Druck, den
dasselbe unter der spanischen Herrschaft zu erdulden hatte, zu
erleichtern, alle verschlimmernden Ereignisse abzulenken. Zu
letzteren gehörte vor Allem der Krieg, gleichviel mit welcher
der damals streitenden Mächte. In der Gewinnung und Erhal-
tung des Friedens ist zugleich der Wunsch seines Herzens und
1) Mehrere Aeusserungen der Art, die stets das gemiissigte und
richtige Urtheil des staatsinännischen Künstlers bekunden, sind in den
mitgetheilten Briefen und in den dazu gehörigen Erläuterungen enthalten.
Ich erwähne hier noch einige andere, wie z. B. das tadelnde Urtheil über
Tilly und Wallenstein (18. Oktober 1625); die Voraussicht des Krieges
zwischen England und Spanien, und das offene und strenge Urtheil über
Buckingham (26. December 1625); über Richelieu und den Process Chalais
(18. August und 12. November 1626); über die Geld-Verlegenheiten der
spanischen Niederlande und die Goldtlotte, die aus Peru erwartet wurde
(19. November 1626 und 9. April 1627); über die Kriegsverhältnisse in
Deutschland (12. November 1626); über die allgemeine Geld-Verlegenheit
der Fürsten (22. April 1627); über den Einfluss des Papstes in Italien
(20. Mai 162 über die schlechte Verwaltung der spanischen Nieder-
lande 823. September 1627); über die Belagerung von La Rochelle (14. Juli
und 1 August 1628, in welchem letzteren Briefe auch ein strenger Tadel
des Verfahrens der Spanier und des Kardinals Della Cueva enthalten ist);
über die Verwiekelung der deutschen Verhältnisse und die Stellung des
Hauses Oestreich (2. März 1628); über die mantuanischen Streitigkeiten,
die er im Interesse seiner früheren Gönner bedauert (20. April 1628);
über die allgemeinen Verwickelungen der damaligen Zeit und die Unfried-
samkeit der Fürsten, mit Hinweis auf_ das alte. aber ewig wahre: "Qnid-
quid delirant reges plectuntur Achivi," den Wahn der Fürsten müssen
stets die Völker busseu (16. August 1635) u. s. w. Ueber Rubens" religiöse
Ansichten vergl. die Einleitung.
2) Klose: _Pete_r Paul Rubens im Wirkungskreise des Staatsmannes,
ln v. Raumers historischem Taschenbuche vom Jahre 1556 S. 177i 267.