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bunden wäre, welche vielmehr durch die oben angedeutete
Hast und Leidenschaftlichkeit ersetzt werden. Als einer der
ersten Vertreter dieser Seite des Manierismus ist in dem ersten
Theile der Künstler-Briefe Giorgio Vasari, der Lieblingsschüler
Michel Angelds, geschildert worden. Es ist indess an jener
Kunstweise noch eine andere Eigenthümlichkeit hervorzuheben.
Wie man nämlich einerseits aus der früheren Sammlung des
Gemüthes herausgetreten war, und zu einer bis dahin fremden
Heftigkeit und Erregtheit überging, S0 trat man andererseits
auch aus der naiven Unbefangenheit heraus, die ein nicht
minder wesentliches Merkmal der Blüthezeit ausgemacht hatte,
und gelangte zu einer bewussten Absichtlichkeit und zu einer
Reflexion, die ebenfalls schon bei Vasari hervortritt, und wel-
che weiter unten noch eingehender an Federigo Zuccaro und
Gio. Batista Paggi dargestellt werden wird (Nr. Im Zu-
sammenhange mit dieser Erscheinung tritt überall das unbefan-
gene individuelle Leben zurück, und statt dessen macht sich das
Streben nach einer Verallgemeinerung aller Besonderheiten in
der Kunst geltend. Dies ist S. 6 und 7 namentlich an Federigo
Zuccaro nachgewiesen. Auch diese Veränderung des Kunstge-
schmackes beruhte auf einer Umwandlung des Zeitbewusstseins,
welche sich ebensowohl in den Formen des gesellschaftlichen
Verkehres, wie in den Leistungen der Wissenschaft und den
Schöpfungen der Poesie bekundetl).
l) Das in der Charakteristik Zucearcfs (S. Ü) erwähnte Werk dieses
Künstlers: „Iclea dei Pittori, Seultori e Archiletti," ist zu Turin im Jahre
1608 erschienen, und gehört selbst in Italien zu den grössten Seltenheiten.
Monsignor Bottari hat dasselbe in dem sechsten Bande seiner Bacoolta
abdrucken lassen (Rom 1768, S. 33-499); jedoch ist dieser Abdruck
nicht in die (mir zum Handgehraueh dienende) Mailänder Ausgabe aufge-
nfbmmen. Ich füge hier einen kurzen und gedrängten Auszug dieser Schrift
hinzu, die einen nicht unwichtigen Beitrag zur Kenntniss des MänißfismllS
liefert, wie denn überhaupt die literarischen Arbeiten der Künstler döS
17- Jahrhunderts, ganz abgesehen von ihrem absoluten Werlhe, in Bezug