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Amor mit einem Pfeile die Liebeswunde beibrachte; er liess die
Venus bekleiden, einen Todtenkopf dazu und dem Amor eine
Geissel in die Hand malen. O quanto e ingegnoso il zelo d'un
animo nobile e virtuoso! ruft der Verfasser dabei aus, S0 habe
einst Pius V. das Weltgericht lllichel Angelds, das er wegen der
Nacktheit der Gestalten ursprünglich ganz vernichten wollte, auf
Bath des römischen Malers Giovannx de' Vecchi theilweise über-
malen lassen. S0 übermalte noch später der Maler Domenico
Pugliano von Florenz mehrere nackte Figuren auf einigen
Bildern, die aus den Niederlanden stammten. Am verdienst-
lichsten allerdings sei es, derartige Sachen ganz zu zerstören; so
habe der Kardinal Berlinghieri Gessi eine Venus von Tizian be-
sessen; er liess die Hauptfiguren aus der Leinewand heraus-
schneiden, nur der Amor blieb auf dem Bilde. Ein frommer
Bischof besass ein Urtheil des Paris; er liess (1651) die drei
Göttinnen herausschneiden, nur der Paris blieb übrig. Noch
weiter ging Kaiser Ferdinand lI., der ngrosse Jesuitenzöglingi,
wie Ranke ihn einmal nennt; er habe Bilder der Art ohne wei-
teres in die Flammen werfen lassen. Noch viel ähnliche Bei-
spiele werden angeführt, u. a. von einer frommen spanischen
Dame, welche Bilder in einem Werth von 30,000 Realen ver-
brannt habe. Aber nicht das Nackte allein verfolgt die Kirche.
Auch Bilder heidnischen Inhalts dürfen nicht geduldet werden;
keine heidnischen Gottheiten, keine heidnischen Kaiser, na-
mentlich wenn sie die Christen verfolgt, vor allen keine
Ketzer 1). Zur Bestätigung dieses Verbotes wird ein ähnlicher
Gewissensfall in Bezug auf häretische Schriften angeführt. Man
setze den Fall, ein sonst von dem Verdacht der Häresie ganz
freier Katholik, besässe ketzerische Bücher, nicht um den darin
enthaltenen Irrthümern Folge zu geben, sondern um die glän-
zende Kunst und die Eleganz zu bewundern, mit der dieselben
geschrieben sind. Würde sich dieser nicht eines kirchlichen
Vergehens schuldig machen, würde er nicht inquirirt und be-
straft werden müssen? wGewissa, sagen die Schriftgelehrten. So
würde auch ein Mann, der häretische Bilder besitzt, sich dem
Verdachte des Unglaubens aussetzen. Indess sei in diesem Falle
doch die Benutzung derartiger Bilder gestattet, wenn man auf
denselben irgend ein Zeichen anbrächte, dass man die Ketzerei
der dargestellten Person verdamme. So habe man einmal Luther
1) Cosimo I.
Künstler-Briefe I.
liess
386.
Melanchlhon
sich einen
Gallerie malen.
für seine