Volltext: Kunst und Künstler des siebzehnten Jahrhunderts (Bd. 2)

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Der obige Brief Guercino's ist gleichsam als Einleitung 
und Empfehlung einer Abhandlung über die Malerei vorge- 
druckt, die von einem Theologen und einem Maler im Jahre 
1652 zu Florenz gemeinsam herausgegeben ist. Der Drucker 
des Werkes, Gio. Antonio Bonardi, leitet das Schreiben fo]- 
gendermaassen ein: der Druck des 'I'rattato sei kaum vollendet 
gewesen, als er von dem theologischen Verfasser die Kopie 
dieses Briefes erhalten habe, den der berühmte Guercino an 
denselben gerichtet hatte, nachdem er von ihm sich einige 
Zusätze und Bemerkungen erbeten, um dieselben mit dem Buche 
zugleich erscheinen zu lassen. Er, der Drucker, auch Verleger 
des Werkes, füge nun den Brief dem Buche hinzu, um zu zei- 
gen, wie sehr jener berühmte Maler mit dem Inhalte desselben 
übereinstimme. Es möge denjenigen Künstlern zum Trost und 
zur Ermunterung dienen, welche sich in ihren Werken aller 
gegen die christliche Sitte verstosscnden Unschicklichkeiten (in- 
decenze) enthielten. Denn derartigen Unschicklichkeiten ent- 
gegenzuwirkexi sei der Hauptzweck des Buches. Dasselbe hat 
den Titel: vTrattato della pittura e scultura, uso et abuso loro, 
composto da un Theologo e da un Pittore per oITerirlo a' Signori 
Accademici del Disegno di Fiorenza e d'altre Citta Christiane. 
In cui si risolvono molti casi di coscienza intorno al fare e tenere 
Plmmagini sacre e profane etc. etc. Stampato ad instanze de" 
Sigri. Odomenigico Lelonotti da Fanano e Britio Prenetteria. Es 
ist durchaus im streng kirchlichen Sinne geschrieben, und zwar, 
wie die Insignien des Ordens auf dem Titel, sowie mehrere 
Stellen des Buches selbst ergeben, von einem Mitgliede der Ge- 
sellschaft Jesu; dies war der Pater Gian-Domenico Ottonelli von 
Fano; sein Genosse, der bekannte Maler und Baumeister Pietro 
Berettiili von Cortona, deren Namen sich als Anagramme auf dem 
Titel des Buches abgedruckt finden (Gualandi Mem. III. 68-70). 
Es steht dasselbe in Zusammenhang mit einigen Schriften gegen 
die Aufführung unsittlichei- Lustspiele und ist gegen alle Un- 
schicklichkeiten in der Malerei gerichtet, wozu indess schon 
jede Darstellung nackter Gestalten gerechnet wird. Das Buch 
ist voller gelehrter kirchlicher Citate, vorzugsweise aber ist das 
von uns schon oben (S. 45) erwähnte WVerk des Kardinals Paleotti 
über die heiligen Bilder (in Ingolstadt lateinisch erschienen) von 
dem geistlichen VBITHSSGP benutzt worden, während Pietro Be- 
rettini einzelne kunstgeschichtliche Notizen dazu geliefertzu 
haben scheint. Der Eifer des Jesuitenpaters richtet sich haupt- 
sächlich gegen die Darstellung des Nackten, insbesondere bei
	        
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