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Anhänger zu gewinnen. Aber ein freundschaftliches Verhältniss
konnte zwischen zwei so verschiedenen Naturen nicht bestehen.
Guercino war friedlich, einfach, gottesfürchtig. Caravaggio roh,
abstossend, leidenschaftlich (quanto al costume, era sinistro per
la sua bestialita, sagt Passeri von ihm). Auch wurde der Umgang
bald abgebrochen, als eine Arbeit in der Kirche von Loreto, auf
welche Caravaggio sich Rechnung gemacht hatte, unter Beide
vertheilt werden sollte. Guercino trug dies dem älteren Meister
höchst bescheiden vor; er meinte, er wolle als sein Schüler mit
ihm dort arbeiten. Eine Zeit lang hatte ihn Caravaggio, der beim
Kaminfeuer beschäftigt war, angehört, da stiess er heftig mit der
Feuerzange auf den Boden und sprang voller WVuth auf, er solle
ihn nicht verhöhnen, die Arbeit würde entweder von Caravaggio,
oder von Guercino "gemacht werden, von Theilen könne zwischen
ihnen Beiden keine Rede sein. S0 verliess er den erschreckten
Guercino, der froh war, das Haus mit heilen Gliedern zu ver-
lassen. Die Arbeit bekam später weder der Eine, noch der An-
dere. So löste sich jenes Verhältniss auf, das aber doch für
Guercino von grossem Einfluss geworden ist. Er hat das Düstere
und Ernste von Jenem beibehalten, nur dass er dasselbe durch
eine höhere Grazie veredelte. Er steht so zwischen Guido Reni
und Caravaggio mitten inne. Milder, zarter als dieser, war er
kräftiger und kühner, als jener; seguace della fierezza nennt ihn
Malvasia im Gegensatz zu Guido Reni. Man muss bedenken,
dass dieser sich damals schon mehr seiner letzten zarten Manier
zugewendet hatte, wie dies auch Guercino später gethan. Das
warme Kolorit, das schöne Helldunkel, verbunden mit einem
tieferen Gefühl für Wahrheit und Empfindung, hat er auch
später vor jenem voraus behalten. In ähnlicher Weise, wie ihre
Kunstübung, waren auch ihre Charaktere verschieden. Guercino
war still, nach innen gekehrt, schweigsam. Von dem vornehmen
Wesen Guido's zeigte er gerade das Gegentheil. Eine gewisse
bäuerische Befangenheit soll er nicht eher abgelegt haben, als
bis er, nach Guido's Tode, nach Bologna ging, um dort dessen
Stelle als Lehrer einzunehmen. Nur Eines hatten sie gemein
mit einander sie sollen niemals Umgang mit Frauen gehabt
haben. Einmal allerdings, es war um das Jahr 1632, wurde eine
Heirath fürGuercino beabsichtigt und berathen; er hatte aber
wenig Lust zu derselben und ein Ruf an den Hof von Modena
diente zum erwünschten Vorwand, die Unterhandlungen abzu-
brechen, die auch nicht wieder aufgenommen wurden. So lebte
er denn fortan mit der Mutter und zwei geliebten Schwestern,