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späteren Werken nicht ganz vermisst wird. XVelt- und Genuss-
mensch, wie er es war, hatte er feine und pinnehrnende Sitten
und war im Verkehr offen und ungezwungen. Dazu wird seine
Liberalität gerühmt. Auf diese Eigenschaften aber beschränkt
sich selbst das Lob des ihm befreundeten Passeri, der seinen
Charakter und sein Verhältniss zu Domenichino allerdings mit
einer gewissen Zurückhaltung, aber doch zugleich mit lobens-
werther Unpartheilichkeit schildert. Sie können die Schatten-
seiten seines Charakters eben so wenig aufwiegen, als jenes
meisterliche Machen, jene unbeschränkte Freiheit der Darstel-
lung die Schattenseiten seiner Kunstweise.
GIOVANNI LANTRANCO
an FERRANTE CARLO.
1634.
Ich benachrichtige Sie, dass ich durch Gottes Gnade ge-
sund in Neapel angelangt bin, mit einem Theil meiner Familie,
wie Ew. Herrl. weiss. Ich werde hier sehr gern gesehen und
man erweist mir viel Artigkeiten, so dass mein Glück voll-
ständig sein Würde, ohne die Erinnerung, ich will nicht einmal
sagen, an die Heimath und Rom, sondern die Freunde und
Gönner, die sich dort befinden, und von denen Sie sich selbst
sagen können, wie sehr schmerzlich ich Ihre Person entbehre,
indem Sie nicht allein stets gefällig und gütig gegen mich waren,
sondern auch eine Hülfe und Zuflucht in allen meinen Bedürf-
nissen, wie ich mich den_n auch während meiner Abwesen-
heit Ihrer Gunst zu erfreuen hoffe. Die Treppen Ew. Herrl.,
die mich wegen der Mühe, die sie mir beim Steigen verursach-
ten, oft des Vergnügens ll1rer edlen Konversation beraubten,
scheinen mir jetzt von gar keiner Bedeutung, und ich denke oft
bei mir über meine grosse Trägheit nach und bereue dieselbe.
Und gerade jßtlt, da ich Ihnen schreibe, glaube ich bei Ihnen zu
sein und Ihr mildeS Benehmen zu sehen, das wie jene Dinge ist,