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Die Erfindung ist immer die Hauptsache, alle andern Theile
der Malerei sind ihr untergeordnet. Und wenn die letzteren
an und für sich auch noch so gut sind, so haben sie doch
keinen Werth, wenn sie nicht mit einer schönen Erfindung,
mit wohlersonnenen Motiven Hand in Hand gehen, und alle
Figuren zu einem bestimmten Zwecke mitwirken und nicht
müssig
In den obigen Zeilen ist der gedrängte Auszug aus einem
Briefe enthalten, den Francesco Albani an Seinen Freund, den
Dr. Orazio Zamboni in Bologna von seinem Landsitze in Meldola
aus geschrieben hat. Es ist das einzige Mal, dass in dieser
Sammlung ein Auszug statt wörtlicher Uebersetzung gegeben
wird; eine Uebersetzung zu geben, war indess nicht wohl
räthlich, indem der Brief bei Malvasia II. 254-257 drei eng-
gedruckte Quartseiten einnimmt und in einer breiten und ge-
schwätzigen Schreibweise zum grossen Theil unwichtige Rede-
reien über persönliche Angelegenheiten und sogar recht achte
Klatschgeschichten über Guido Reni enthält. Dagegen verdient
derselbe doch eine gewisse Aufmerksamkeit, indem er auf ein
Werk Bezug hat, welches Albani in Gemeinschaft mit Zamboni
in Form eines vTrattato della pitturau herausgeben wollte, und
welches hier als wiederholtes Zeichen jener schon öfter hervor-
gehobenen rellektirenden Richtung der damaligen Künstler Er-
wähnung verdient. Von diesem Werke, das übrigens nicht fertig
geworden ist und dessen Hauptzweck gewesen zu sein scheint,
Albani selbt als den ersten Maler erscheinen zu lassen, hat
Malvasia einige handschriftlich vorhandene Bruchstücke in sei-
ner Felsina pittrice abgedruckt. Es geht daraus hervor, dass
Zamboni dieselben nach mündlichen Aeusserungen Albanfs
niedergeschrieben hat. Einige derselben sind nicht ohne kunst-
geschichtliches Interesse und es sei mir gestattet, dieselben hier
kurz anzudeuten. So die Aeusserung über Caravaggio, in dessen
Manier der Anfang des Verfalles der Malerei gesehen wird
(S. 244); der Tadel der Kniestücke, die damals mehr als früher,
namentlich auch von Guido, gemalt wurden (245); die Kritik voll
Rafaels h. Cäcilie, um welche die Heiligen ganz müssig umher-
Ständen, ohne irgend eine Verbindung mit der Hauptfigur z"
haben, ein Fehler, der allerdings durch den besonderen Auf-
trag zu entschuldigen sei; die Ansicht, dass Malerei und Poesie