Volltext: Künstler-Briefe ([Bd. 1])

ZU 
würde. Ich Iiebte Dich also, weil Du meiner lNleinung mach 
durch Deine Tugend und durch Deine Sitten gewiss ver- 
dientest, von mir wie von allen andern geliebt zu vrerden. 
Nun aber, (la. ich vernehme, wie gross Deill W0h1wo11en 
gegen mich sei und erfahre, Wie gross Dein Bestreben uncl 
Deine stete Serge sei, mich auf alle Weise flurch Lob nnd 
durch Empfehlung bei Allen bekannt und beliebt zu machen, 
und da ich Dich überdies beschäftigt sehe, meine Schriften und 
wissenschaftliche Bestrebungen kennen zu lernen, so dass 
selten eine Stunde vergeht, in der Du nicht irgend eine 
Schrift oder einen Ausspruch von mir lesest oder dem Ge- 
dächtnisse einprägest, vermag ich (la Dich njcht über allen 
andern zu lieben, inclem ich mich von Dir, der Du ohne (lies 
schon so sehr verdienst geliebt zu werden, nun selbst so 
sehr geliebt weiss? 
Aber ich zweifle nicht, dass sich von Tag zu Tag Ge- 
legenheiten clarbieten werden, bei denen wir uns unterein- 
ander werden zeigen kännen, welches Aunsere Gemüthsstim- 
mung und gegenseitige Zuneigung sei. Und W werden Wett- 
eifern einer den andern in liebreicher Gesinnung und jeder 
Art ehrenvoller und freundlicher Dienstleistung zu übertreifen. 
Und da ich Dich nun schon so sehr um meine Schriften 
benlüht weiss, so gefiel es mir, Dir dieses mein Werkchen 
zu übersenclen, auf dem Lande') zwischen Wäldern und in 
einer Musse geschrieben, der ich mich um diese Zeit aus gu- 
ten Gründen hingegeben habe. Und ich glaube, dass es Dich 
nicht verdriessen wird, es mehr als einmal w-ieder zu lesen, 
denn Du wirst sehen, rlass der Gegenstand anmuthig und 
scherzhaft, und nicht ohne Nutzen ist, um sich im Leben da- 
nach zu richten, und er wircl Dir aueh, glaube ich, nicht ganz 
ohne Maass und würdjge Reife behandelt erscheinen. Du 
wirst lachen und mich lieben uncl von mir in Zukunft ähn- 
liche, doch bessere Früchte unserer besten Freundschaft er- 
warten. 
1) In Villa.
	        
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