Seine versehlungenexm Zweige sind theils glatt und theils
verknotet, und auf äiese Weise durch (las Geschick geformt,
welches sich oft gleieh bleibt, oft aber im Leben auch weclmselt.
Seine Blätter, weil sie ganz rund und glatt sind, deuten
die Unbeständigkeit an; seine Früchte sind, Wie Ihr sehet,
päpstliche Mitren, Kaiser- und Künigskronen, Cardinalshiite
und Bischofsmützen, Herzogsmützen und solche von Biarche-
sen und Grafen. Auch solche von Priestern sind dabei und
Münchskapuzen 11m1 Nonnenhauben und Schleier, so wie auch
Sturmhauben für Soldaten, unä verschiedene Kopfbedeckun-
gen für Personen des Bürgerstandes, männliche and weibliche.
Unter dem Schatten aber jenes Baumes befinden sich
Wälfe, Schlangen, Bären, Esel, Ochsen, Schaafe, Füchse, Maul-
thiere, Schweine, Katzen, Käutzchen, Nachteulen, Uhus, Pa-
pageien, Spechte, Kuckuke, Kernbeisser, Bachstelzen, Elstern,
Krähen, Amseln, Heuschrecken, Grillen und Schmetterlinge;
und noch viele anclere Thiere Werdet Ihr sehen künnen,
welche (lie Glücksgättin erwarten. Diese aber, welche die
Augen mit einer Binde verbunden hat, steht auf dem Wipfel des
Baumes uncl mit einer Ruthe. die Früchte herunterschlagend,
lässt sie diese auf gut Gliicl: auf die Küpfe der Thiere fal-
len, die ganz ruhig unter dem Baume stehen, und so kommt
es denn, dass manchmal die p [äpstliche] Herrschaft einem
Wulfe auf den Kopf fällt und dieser mit der Natur, die ihm
eigen ist, lebt und äie, K [irche] regiert, und ähnlieh (las
K [aiserthum] auf eine Schlange, die (lie Reiche vergiftet,
zerstärt und verschlingt und alle seine Vülker zur Ver-
zweiflung bringt.
Die Künigskrone fällt einem Bären auf den Kopf und
bringt dieselbe Wirkung hervor, als (le-r Hochmuth und die
Wuth seiner tollen Natur. Die Cardinalshüte regnen oft auf
die Käpfe von Eseln, die sich um keine Fähigkeit kiimmern,
unwissend leben, sich eselmnässig mästen 11m1 oft noch andere
stossen. Die Bischofsmützen sind oft für Ochsen bestimmt,
indem oft mehr Kriecherei und Schmeichelei in Betracht ge-
Külnstler-Briefe. I. 26