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eine Figur den vollständigen Genuss zu haben, sie ganz und
vollständig zu sehen; weshalb denn also die Skulptur mehr
Genuss darbiete als die Malerei.
Ich will sie auch noch mit der Bemerkung preisen, dass
die Skulptur von grüsserer Prächtigkeit sei und den Städ-
ten zur grüssten Zierde gereiche, indeln man darin Kolosse
von Statuen herstellt, wie aus Bronce, aus Marmor und an-
derem Material, die der ausgezeiehneten Lente Ruhm ver-
künden, und die Erde zieren und in den Menscben, die sie
sehen, den Wunsch erwecken, den tugerrdhaften Werken jener
nachzustreben, um ähnüche Ehren zu erringen. Woraus denn
ein ungemeiner Ruf und Nutzen dieser Kunst hervorgeht.
Auch will ich es nicht zu sagen unterlassen, dass man
bei Skulpturen sehr vorsichtig sein muss, alle Maasse zu
beobachten, wie in dem Kopf, in der Hand und im Fusse, und
in allen anderen Gliedern, indem jeden Augenblick die Ge-
genprobe gemacht werden kann, und dass sich nicht-irgend
ein Maass unterschlagen lässt, wie in der Malerei, wo die
Probe nicht so leicht zu machen ist. Noch ist es von
nicht geringer Annehmlichkeit wie Schwierigkeit, dass man
die Skldpturen in wirklicher Existenz vor sich fmdet
und sie nach Belieben messen kann, was sich bei der
Malerei nicht immer so Higt. Daher denn die Skulp-
tur Weniger trügerisch ist und mehr der Wahrheit ent-
spricht.
Man weisst überdiess auch darauf hin, dass die Skulp-
tur, ausser der Grüsse des Kunstwerkes auch von nicht ge-
ringem Nutzen sei, indem man sich ihrer Figuren in Stelle
von Säulen oder Konsolen zum Tragen bedienen kann, oder
bei Brunnen zum Wasserspeien, so wie zu Grabmälern und
tauseud anderen Dingen, die man tagtäglich sieht, wogegen
die Malerei nur scheinbare Dinge hervorbringt und von kei-
nem praktischen Nutzen ist, ausser dem Vergnügen, 11399
sie hervorrufen, Woraus sie denn Wiederum folgern, dass die
Skulptur nützlicher sei.