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niehts desto weniger treulieh und mit alP der Wahrheit, die
mir müglicll sein wird, auc-h die Gründe der entgegengesetz-
ten Parthei angeben will. Allerdings eine sehr schwierige
Aufgabe, und die einer langen und Heissigen Untersuehung
bedürfte. Ich verspreehe deshalb auch, davon nicht aus-
führlich, sondern nur mit soviel Klarheit und Kürze zu
sprechen, als mir müglich sein wird.
Es pflegen nun also diejenigen, welche die Skulptur aus-
üben oder Parthei Fir sie nehmen, unter anderen Gründen
fiir sie anzuführen, dass die Skulptur dauernder soi, als die
Malerei und daraus wollen sie denn erweisen, dass sie auch
11m vieles schäner und edler sein müsse. Denn sie meinen, dass
wenn ein Werk nach langer Mühe zur letzten Vollendung
gebracht wird, es, je länger es dauert, auch um su mehr
Fraude gewähre, und so viel länger die Erinnerung jener
Zeiten frisch erhalte, in Welchen oder für welche es gemacht
worden ist, und dass somit auch die Skulptur vie] nützlicher
sei, als die Malerei.
Sie sagen ferner, dass es viel mehr Mühe koste, eine
Statue zu machen, als eine Figur zu malen, in Anbetracht
des harten Materials, wie es etwa Marmor, Porphyr oder
eine andere Steinart wäre, und sie fügen ausserdem hinzu,
dass man bei einer Statue, wo etwas weggenommen ist, nichts
hinzusetzen kann, so dass, wenn einmal eine Figur verdor-
ben ist, sie nicht wieder in Ordnung gebracht werden kann;
während man in der Malerei fortwährend ansläschen und
wiedermalen kann, so dass die Skulptur von viel grässerel-
Kunst sei, und mehr Urtheil und Fleiss erfordere, und des-
halb edler sei als jene.
Sie fügen auch hinzu, das die beiden genannten Kümste
nachzuahmen, und sich ihrer Lehrerin, der Natur, ähn-
lich zu maehen haben, die Natur aber ihre Werke erhabexx
hervorbringt, so dass sie sieh mit Händen greifen lassen; die
Malerei nun aber sei blos ein Gegenstand des Gesichtes 11m1