Volltext: Künstler-Briefe ([Bd. 1])

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ken, glass Gott, ais er den Menschen schuf, ihn erhaben und 
in runder Figur machte, indem er so leichter zu beleben 
war. Dann würde et sich gewiss nicht eine so kunstvolle 
oder vielmehr wunderbare und güttlichc Aufgabe gestellt 
haben! 
Ich behaupte fermer uncl kann es mit Beweisen belegen, 
class Michel Angelo die Tiefe seiner Zeichnung und die. Griisse 
seines gättlichen Ingeniums nicht an ilen staunenswerthen 
von ihm gemachten Skulpturfiguren zeigen konnte, sondern 
an seinen Wunderbaren Malerwerken mit so vielen Figuren 
in schünen Stellungen und Verkürzungen; denn diese hat er 
immer mehr geliebt, weil sie schwieriger und für sein über- 
natürliches Talent schwerer zu erreichen waren, nicht aber, 
weil er nicht etwa gewxxsst hätte, dass seine Grüsse und Un- 
sterblichkeit von der Skulptur, dieser edlep und unvergäng- 
lichen Kunst abhängig sei, an welcher ewigen Dauer indess die 
Marmorbrüche von Carrara mehr Antheil haben, als (lie Tüch- 
tigkeit des Künstlers; denn die Skulptur beschäftigt sich mit 
einem besseren Stoffe, uncl dieser Stcff und. clas Relief ist bei 
grossen Meistern Anlass zu hohen Belohnungen, so wie zu gros- 
sem Ruhme 11m1 anderen Ehren, in Anerkennung so grosser 
Tüchtigkeit. Ich denke mir das so, Wie es mit dem Anzuge ist; 
dia Skulptur ist ein feines und gutes Tuch, weshalb sie auch 
länger dauert und mehr kostet; die Malerei aber ein aufge- 
kratztes Teufelstuch, das nur kurze Zeit aushält und wenig 
kostet, und wenn es seine Haare verloren hat, macht man 
sich nichts mehr daraus. 
Da aber jedes Ding sein Ende haben muse, so will ich 
hier im Reden auch nicht ewig sein. Icl1 hätte allerdings 
schon längst aufhären kännen, aber Ihr müsst mich entschul- 
digen, da mich nur der wichtige Gegenstand dieses Briefes 
112-211 ermuthigt hat, diese Fader noch mehr schreiben 
zu lassen, und Eiamit 11n- sehen solltet, dass ich Euch 
zu Diensten bin und Euren Wünschen gern nachkomme.
	        
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