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104) zu vergleichen ist, sind aus legitimer Verbindung ent-
sprossen, obschon Ticozzi u. a. dies angenonxmen haben, wo-
bei indess zu bemerken ist, dass ersterer Tiziarfs muthmaass-
liche Frau schon kurz nauh 1513 sterben lässt, zu einer Zeit
also, wo weder Pomponio noch Orazio geboren Waren. In
Venedig herrschten übrigens in dieser Beziehung, namentlich
bis zu dem Jahre 1567, sehr freie Ansichten und eine eben
so freie, fäst schrankerllose Praxis. Vgl. Gius. Passeri
Bragadin bei Gualandi a. a. O. p. 105, welcher angiebt,
dass sich durchaus kein Dokument über (lie Ehe Tizian's in
Venedig ausfindig machen lasse. Dabei ist indess ein von
Üadorin bekannt gemachtes Dokument zu beachten p. 95 N.,
worin unter dem 23. Oktober 1576, nach äem kurz zuvor
erfolgten Tode Tiziaxfs und Orazids, Pomponio als Erbe
mit folgenden Worten anerkannt wirdz; ,,Rever. Presbiter
Pomponius Vecellius Clericus Venetus et Filius q. Magn. D.
Titiani Vecellii Equitis et quond. D. Oeciliaa jugaliu m." Dies
betrachtet Cadorin als Zeuglüss der legitimen Ehe, aus well
cher äie Sühne Tiziads hervorgegangen sind, wogegen Pas-
seri Bragadin, dessen Beuxerkungen sieben Jahre nach
denen Cadorhfs gedruckt sind, in dem letzten Worte eine
solche Bestätigung nicht zu Hnden scheint.
Bei dieser Ungewissheit ist es um so mehr zu bedauern,
dass von einem angeblich in (lem Archive zu Mantua befind-
lichen Briefe 'l'izian,s vom 6. August 1530, worin derselbe
den Tod seiner Frau berichtet, nichts Genaueres bekannt ist.
Gaye, der den nur kurze Zeit zuvor geschriebenen Brief
Federigo Gonzagals an die Gräün Pepoli anfiihrt (vgl. oben
S. 271), muss von jenem Schreiben Tizian's keine Kenntniss
gehabt haben.
TizianÄs Hoffnung, seine Sühne würden einst tüchtige
Männez- werden, ist nur zum Theil and zwar in Bezug auf
Orazio in Erfüllung gegangen. Pomponio, obgleich, oder
vielleicht Weil überhäuft mit Benefizien aller Art, die der
Vater durch unermüdliche Betriebsamkeit für ihn erwarb, und
obschon dem geistlichen Stande angehürig, ergab sich trotz
bei denen freilich Pietro Aretino einen sehr
schhmme-n Vermittler abgab, einem ganz zügellosen Leben
1) ÜLCÜBTR di Tiziano di ragguaglio della morte dalla mo-
glie del piuore"; Worte MorinPs (einst Vorsteher des Archives),
bei Cadorin p. 70 n. 19.