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und noch im späten Alter gefällt er sich im Umgange mit
schünen Frauen, denen er galant deu Hof macht und an
deren Kuss und Umarmung er sich erfreutl). Michel An-
gelo ein ernster Denker und Dichter, Tizian Übellissimo par-
latore l" 1')
Tizian, mit einem Worte, kann uns den glänzenden, st-ets
mit glücvklichem Erfolge gekrünten Weltmann und somit eine
durchaus nicht unwesentliche Seite jenes Zeitalters überhaupt
repräsentiren. S0 reich er an Ehre und Anerkennung war,
wovon weiter unten mannigfache Belege folgen werden, eben
so reich war er an Geld und Besitz, dessen Werth er gar
wohl zu schätzen wusste, von dem er aber auch vwiederum
einen anständigen Gebrauch machte, wie in der reichen Aus-
stattung der Tochter und in der Führung eines glänzenden
und gastfreien Haushaltes 3). Und wie er anmuthig von Sit-
ten, fein und gefällig im Verkehr war, so fehlen auch solche
Züge in seinem Leben nicht, wonach er auf G-ewinn und.
Vortheil, nach denen er sonst nieht ohne Talent und Erfolg
zu streben gewohnt war, grossmüthig zu verzichtexl wusste,
wenn dieselben mit dem Vortheil anderer oder mit seiner
Ehre zu kollidiren schienen, wie dies dia Verzichtleistung auf
das einträgliche Officio del Piombo in Rom (vgl. Br. 108) und
(lie Zurückweisung (les ihm für seinen Sohn Pomponio ange-
tragenen Bisthumes bekunden.
1) Vgl. den Brief des Pietro Arebino an Jac. Sansovino bei Ca-
dorin.
2) Urtheil Dolcds bei Cadorin p. 12.
3) Noch in seinem 97. Jahre empüng und bewirthete er in sei-
nem Hanse Künig Heinrich III. von Frankreich nebst seinem ganzen
Gefolge auf eine hächst glänzende und splendide Weise. Bidolfi I. 201-