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zu haben. Einen andern Ruhm, nicht minder ehrend uml
dauernd, als jenen, sollte sich die Gattin erringen, die, ob-
schon jung 11m1 von 3611261161" Schünheit, clem Weltlichen Ver-
kehr fast ganz entsaxgte, 11m sich mit rührender Ausdauer dem
Andenken des Gatten, 11m1 jenen zahlreichen Dichtungen hin-
zugeben, in (lenen sie ihre Liebe 11m1 ihrerx Schmerz schil-
dert und die sie zu dem Range der ersten unter den Dich-
terinnen Italiens erhoben haben.
Zunächst begab sich Vittoria in das Kloster S. Silvestro
in Rom, zu den Clarissen, aber nicht, ohne dass Papst Cle-
11161155 VIL, der ihre ehrenvolle Aufnahme daselbst durch ein
besonderes Breve anordnete, einem von ihrer Seite etwa aus
Schmerz übereilten Entschlusse sich als Nonne einkleiden zu
lassen, vorzubeugen gesucht hätte. ,,I)a1nit nicht", heisst es
am Schlusse jenes an die Nonnen gerichteten Breves, "ihrenx
Schmerz eher Gehür gebencl, als reiflicher Ueberlegung, die
Gedachte ihr Wittwengewand mit Nonnentracht vertausche,
verbieten wir Euch, bei Strafe der Excomlnunicatioxi im
strengern Sinne solches ohne Unsere besondere Genehmigung
zu gestatten." v. Reumont rüm. Briefe III. S. 312.
Nicht lange verweilte sie hier, die Kriegesstürme, die immer
dichter gegen Rom heranzogen, bewegten sie, wieder nach
Neapel zurückzugehen, von wo aus sie, als Rom selbst der
Plünclerung anheimgefallen war, durch eigene Hülfe, Wie
durch liebreiche Verwendung viol zur Milderung des Uebelg
beitrug. Damals war es auch, als ihr Geist sich der religiü-
sen Poesie zuwendete und auf diesem Gebiete bald einen sol-
chen Ruhm erlangte, dass die in Literatur und Bildung her-
vorragendsten Männer Italiens sich voll Verelu-ung um sie,
Wie um einen glänzenden Mittelpunkt schaarten.
Eine solche Stellung nahm Vittoria ein, als sie unter
Paufs IH. Regierung im Jahre 1536 nach Rom kam, wo
sie nun Michel Angelo kennen lernte. Wie verwandt Waren
jene beiden grossen Naturen! Beide vom herbsten Leid ge-
prüft, dessen Nachhall sich durch ihr ganzes Leben hinclurch
zieht, beide der ernstesten Geistesthätigkeit hingegebexl, die
sie weit über ihre Zeitgenossen emporhob, beide voll Kraft
und ungebeugten Muthes, den sie in den schwierigsten La-
gen des Lebens bekundet, beide endlich von Weicher und
zarter Empündung, (lie ihrer erhabenen Strenge eine so wohl-
thuendc Ergäiinzung gab! Da erwuchs denn jenes Verhält-
niss einer innlgen, ällf gegenseitigcr Hochachtung begründete-n