MICHEL
ANGELO
3,11
GIORGIO
VASARI.
[Bon], 1556.]
Mein lieber M. Giorgio! ich kann nur schlecht schrei,
ben, doch will ich etwas in Erwiderung auf Euren Brief sa-
gen. Ihr Wisst, dass Urbino gestorben ist; dabei ist mir
eine grosse Gnade Gottes geschehen, aber mit einem schwe-
ren Verlust 1neinerseits uncl unendlichem Schmerze. Die
Gnade war die, dass Wenn er im Leben mich am Leben er-
hielt, er mich nun im Sterben gelehrt hat, wie man nicht mit
Unlust, sondern mit Sehnsucht nach dem Tode sterben soll.
Ich habe iI1n sechs und zwanzig Jahre gehabt und als einen
Menschen von seltenster Treue erfunclen, und nun, da ich
ihn reich gemacht unc]. auf ihn als Stab und Trost meines
Alters gehoHt, ist er mir dahin geschieden und mir keine
andere Hoffnung geblieben, als die, ihn im Paradiese wieder-
zusehen.
Von diesem aber hat mir Gott ein Zeichen gegeben
durci-z den glückseligen Tod, den er gestorben ist, wobei 01'
viel mehr, als über (las Sterben, darüber betrübt war, mich
in dieser verrätherisclnan Welt mit so vielem Kummer zurück-
zulassen, obschon der grüsste Theil von mir mit ihm gegan-
gangen ist und mir nur ein unendliches Elend übrig bleibtl).
Auch zu diesen rührenden unrl tief ergreifenden Worten
des edlen Greises, der von eben so mächtigem und gewalti-
gem Geist, als von kindlich weichem Gemüthe war, nur die
Bemerkung, dass der Verstorbeneg) sein ihm nahe befreundetel-
1) E mi vi raccommando.
2) Er wird von andern bald servitorc, bald compagne und creato,
so wie auch allevato di Miche] Angelo genannt; dass er Francesco
Amatori hiess, ergiebt sich aus dcm Breve Papst Paul's III. bci Bon.
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