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Der Kommentar des Varchi ist in der That geeignet,
dureh die in reicher Fülle und mit wahrer Bewunderung ge-
spendeten Lobeserhebungelu den Gefeierten etwas stelz, ode:-
wie. Michel Angelo sagt, "eitel" zu machen. Er macht sich
zur Aufgabe, die Grüsse Michel Angelds nicht blos auf dem
Gebiete der Architektur, Sculptur und Malerei, sondern auch
in der Dichtkunst und in der erhabenen ,,Kunst der Liebe"
zu preisen. Denn in jenen Künsten sei Michel Angelo an-
erkannt der grüsste Meister der Gegenwart, wie aller Zeiten;
sein Name allein Würde genügen, einst Florenz noch am Le-
ben und in Ehren zu erhalten, wenn es nach Tausenden von
Lustren z11 Staub geworden sei.
Dass er nun auch eben so gross in der Poesie sei, gehe
aus jeneln Sonet hervor, das Varchi voll von jener alterthüm-
lichen und reinen Grüsse des Dante nennt. Wer sich dar-
über Wundere, dass ein so vielfach in anderen Dingen be-
schäftigter Mensch, dessen Beruf gar nieht einmal die Poesie
sei, doch in dieser so Grosses leisten und se tiefes Wissen
bekunden hüren, der wisse nicht, wie vie] die Natur vermüge,
wemx sie einen se seltenen und vollendeten Geist erschaffen
wolle, noch, dass die lNlalerei und Dichtkunst nicht blos ein-
ander sehr ähnlich, sondern fast ein und dieselbe Sache seienf)
MICHEL
ANGELO
3.11
GIORGIO
VASARI.
Rom,
October 1550.
Mein lieber Messer Giorgio! Sobald als Bartolomeo
[Ammanati] hier angelangt war, ging ich, den Papst zu
sprechen, und da ich sah, dass er wegen der Grabmälel- neuen
Grund auf dem Montorio legen lassen wollte, so sorgte ich
L
1) Der Kommentar ist zugleich mil; den oben S. 222 erwähnten
und weiter unten 11och mitzutheilenden Briefen zu Florenz im Jahre 1549
erschienen. Da mir dies entgangen war, konnte ich das Faktum, dass
die Briefc 1m Varchi gerichtet sind, an dem angegebenen Ort nur
als eine Vermuthung ausspreclnen.
KünstIer-Bricfe. I. 15