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S0 vertheidigt ihn gegen den Vorwurf, cr sei seiner Gesimnlng
und der Liebe zur Freiheit untreu geworden, Varchi in der
in Cosinufs I. Auftrag gehaltenen Leiehenrede: "damals sei
er nicht ohne den gewichtigsten Grund geflohen, und die ihn
deshalb mit Unrecht tadeln, übersehen es, dass er selbst nieht
ohne die grässte Lebensgefahr zurückkeln-te, um seine Kräfte
nicht dem Vaterlande zu entziehen!" S0 gross war damals,
selbst nach dem Verluste der Freiheit, die Achtung vor un-
abhängiger Gesinnlmng, dass solche Worte unter Billigung,
im Auftrage eines Selbstherrschers ans jener Familic gespro-
chen Werden durften, gegen welche einst gekämpft zu haben,
von Michel Angelo als Lob gepriesen wird!
Und in der That, der Muth und die Gesinnung"), Welche
Michel Angelo bewegten, nach Florenz zurückzukehren, waren
grässer und ehrenwerther, als die Gründe, es zu verlassen,
tadelnswerth gewesen waren, wenn diese überhaupt Tadel
verdienten. Denn die Stellung der Vaterstadt war in der
inzwischen verlaufenen Zeit nicht günstiger, sondern im Gegen-
theil um vieles gefahrdrohender und unsicherpr geworden;
üherdiess Wusste er, dass ihn in der Heimath Stiafe erwartete,
während ihm überall, wohin er sieh sonst gewendet hältte,
Auszeichnung und ehrenwerthe Stellung sicher waren; auch
wenn er sieh nieht zu den Medieeern und zu dem Papste
begeben wollte, die ihn unbedingt und mit oifenen Armen
aufgenommen haben würden. Und so ist nichts geeigneter,
als dies Ereigniss, um uns einen tiefen Blick in die grosse
Seele dieses gewaltigen und doch S0 menschlichen Charak-
ters thun zu lassen, und uns zu neuer "Verehrung desselben
zu zwingen.
Was nun den weitern Verlauf der Dinge betriift, so kün-
nen hier wenige Andeutungen genügen. In Florenz hatte die
Flucht Michel Angelds grosse Bestürzung im Volke erregt;
man betrachtete ihn als eine Stütze der Freiheit. Je häher
man ihn bisher geachtet (vgl. den Brief der Signorie an
Gal. Giugni vom 28. Juli 1529 bei Gaye II. 197), um
so härter wurde er jetzt getadelt. Die Behürden sprachen
die Acht über ihn aus (30. Sept. 1529).
Am dreizehnten Oktober schreibt Giugni für ihn den
obigen Brief, auf den am zwanzigsten die Antwort erfolgt:
l) ,,Aus Liehe kehrten sie zurück zum Vaterlande" sagb Nardi
in seiner Geschichte von Florenz.