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Wenn ich nämlich üfter die ungeheure Grässe Deiner
Verdienste 11m mich überdenke, so werde ieh zu der Ueber-
zeugung gebracht, dass ich auch nicht einmal den geringsten
Theil davon verdienen känne, selbst Wenn ieh nicht blos alle
meine Fälügkeiten anstrengen, sondern sogar mein Blut für
Dich vergiessen würde.
Eben so sage ich Dir auch meinen grüssten Dank, dass
Du mich dazu auserwählt hast, Heu Johannes zu erzie-
hen und zu unterrichten; mit der Rücksicht jedoch, Glass
Du wissest, Wie sehr es mir leid thut, Euren Wünschen
und dieser mir auferlegten Last nicht genügen zu künnen.
Auch bitte ich Dich, es zu bewirken, dass, wie gleich An-
fangs gesagt mude, mir einige Belohnung gegeben werde,
indem ich näanlich von vielen Bedürfnissen bedrängt bin. Ich
werde Gott Tag und Nacht bitten, dass 61' es Dir für mich
wiedererstatte. Das aber, Franciscus, kann ich nicht loben,
dass Antonius so lange auf dem Lande bleibt und dia Be-
treibung der Studien vernachlässigt. Ich ersuche Dich, wenn
Du in Gegenwärtigem etwas unverständiges und unschünes
findest, mich zu entschuldigen; ich erwarte mit Freuden Deine
Briefe und empfehle n1icl1, so viel ich vermag, Deinem Wohl-
wollen. Liebe mich mit derselben Liebe, clie ich zu Dir
hege. Und nun schliesse ich, lebe wohl und sei glücklich!
In grosser Eile.
Der ebenfalls im Privatarchiv der Mediceer aufbewaln-te
und von Gualandi Nuova Raccolta I. 24 mitgetheilte Brief ist
von Michel Angelo lateinisch geschrieben und insofern von
grosse-m Interesse, als er uns zeigt, wie Michel Angelo von
der allgemeinen klassisehen Bildung jener Zeit berührt gewesen
ist, mit deren hauptsächlichsten Vertretern, namentlich mit Po-
lizian er schon im Hanse saines ersten Gänners, Lorenzo des
Prächtigen bekannt und befreundet geworden war. Die Sprache
des Briefes ist allerdings nicht von grosser Reinheit, vielmehr
an 11121111311611 Stellen ziemlich inkorrekt. Indess auch abgese-
hen davon, dass der Brief, wie Michel Angelo selbst sagt,