Dieser in dem Privatarchiv der Medici bcündliche und von
Gualandi Memorie HL, 113 und Nuova Raccolta L, 18 publi-
cirte, schlecht und inkorrekt geschriebene Brief fäillt in die Zeit
von Michel Angelds erster Reise nach Rom. Die Adresse ist von
derselben Hand geschrieben und lautet auf "Sandre di Botti-
celli in Firenze"; es scheint dieselbe erwälmlt, um bei den
durch bürgerliche Unruhen vielfach gefährdeten Zeitläuften
den Brief durch die Hand eines Freundes dom eigentliehen
Adressaten, Messer Lorenzo, sicher zukommen zu lasseu.
Dieser ist nämlich offenbar Lorenzo de'Medici, der Sohn des
Pier Francesco, der mit seinem Bruder Giovanni im Jahre 1494,
als die Mediceer, wegen des schimpHichen Betragens des
Pietro de' Medici, aus Florenz vertrieben wurden, als zur
Volksparthei gehürig, daselbst geblieben war und den Namen
Popolani angenommen hatte. Lorenzo der -Prächtige, der
ebenfalls der grosse Günner Michel Angekfs gewesen, und
denselben vier Jahre lang im Hanse und an seinem Tische ge-
habt, war schon 1492 gestorben. Aber auch mit jenem Lo-
renzo Popolani W'3,1' Michel Angelo befreundet, wie ihn dieser
auch schon vor seiner Abreise nach Rom mehrfaeh beschäf-
tigt batte. Nicht minder war er es mit Sandre Botticelli, dessen
eigentlicher Name Alessandro di Filipepi ist, und der unter
den Malern des XV. Jahrhunderts einen der ersten Plätze
einnimmt. Dieser war zu der Zeit, als der Brief geschrieben
wurde, schon wieder nach Florenz zurückgekehrt, nachdem
er unter Papst Sixtus IV. in der Sixtinischen Kapelle des
Vatikanischen Palastes beschäftigt gewesen, und war nun in
seiner Heimath mit seinen Kupferstichen zu Dante's Hülle
beschäftigt. An ilm den Brief zu adressiren musste, obschon
auch Lorenzo de, Medici zur Volksparthei gehürte, um so siche-
rer erscheinen, als Botticelli ein sehr eifriger Anhiinger des
Fra Girolamo Savonarola war, der damals in Florenz an der
Spitze der üfenlichen Angelegenheiten stand l).
1) Auch die Uebersclnrift des Briefus Üflhrisbus!" stimmt mit der
damals in Florenz Ilcrrsclnexxden, religiüsen und politischeu Schwär-
merci, in der man später Christns zum Künige von Florenz ausnef,