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ungemein seltenen Entsagung sich von allen, auch den er-
laubtesten Genüssen fern hielt, bei anstrengender Arbeit mit-
unter 'l'age1ang sich mit einem Stückchen trockenen Brot-es
begnügte und ohne Kleider and Stiefel auszuziehen einer im-
mer nur kurzexx, von der dringendsten Nothdurft erforderteu
Ruhe genoss. Und wenn man nun ans allen rliesen Eigen-
thümlichkeiten auf einen im Ganzen herben and abstossexl-
den Charakter schliessen sollte, so bildet vielmehr gerade
eine ungemeine Milde und Liebenswürdigkeit einen hüchst
eigenthümlichen Gegensatz dazu. WVie man denn für jene
merkwürdige Doppelnatur Michel Augelcfs, wie wir sie obexx
nannten, die gemüthliche Art saines Verkehres mit Va-
sari und Oondivi anführen kann, von der unsere Briefe 1nan-
chen Beleg darbieterx (Vgl. Br. 64-69, 71) so wie die rührenrle
Hingebung, mit der er seinem Diener Urbino zugethan War,
und die er auch auf dessen Frau, die Cornelia, übertrug
(Br. 70). Vor allen aber wird als das ehrenvollste Zeichen
seines zarten, fein enxpfindenden, Initunter fast zur Senthnen-
talität geneigten Gemüthes das schüne Verhältniss zu betrach-
ten sein, in Welchem er zur Marchesa von Pescara, Vittoria
Colonna stand und von dem er in seinen Dichtungen (vgl.
Nr. 78-84) so rührende und ergreifende Zeug-nisse hinter-
lassen hat.
MICHEL
ANGELO an LORENZO m? MEDICI
des SANDRO BOTTICELLI.
unter
der
Adresse
1496.
Rom, 2. Juli
Messer Lorenzo! Ich schreibe Euch blos, um Euch an-
zuzeigen, dass wir vergangenen Sonnabend hier glücklich ein-
getroffen sind und sogleich clen Cardinal von S. Gregorio
besueht haben, dam ich Euren Brief gab. Es scheint, als ob
er mich gern sähe, und cr wollte sogleich, ich sollte gehexl,
mir einige Fignren anzusehen, worauf ich auch jenen ganzen