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Nur noch eine Silbe über die beiden Arlfträge. Dome-
nico soll ihm Liebeslieder schicken, Cesarino eine Predigt.
Die verlangten Lieder (strambotoli) waren solche, die der Gelieb-
ten vorgesungen wurden. Es ist also nicht schwer Rafaefs Ab-
nieht zu erkennen. Ebenso wenig in Betreif der Predigt. Der
Brief ist kurz vor der Abreise naeh Rom geschrieben. Rafael
musste im Allgemeinen schon die Natur der Aufträge, die
seiner harrten, kennen. In dem ersten Bilde, der 'I'heologie,
oder der sog. Disputa, galt es eines der heiligsten Mysterien
des christliehen Glaubens darzustellen, und mit Eifer wirft
sich nun Rafael auf die Theologie.
Aber wie bezeichnend ist die naive Zusammenstellung
zwei an sich so verschiedener Verlangen! S0 einfach und
so leicht hingeworfkan dieselben auch erscheinen, so üffnen sie
doch einen tiefen Blick in das Herz des Künstlers. Es ist
ein Stück Menschen- und Kunstgeschichte darin enthalten.
RAFAEL
an
FRANCESCO
FRANCIA.
B0m1
September
1508.
Mein
lieber Messer Francesco!
S0 eben erhalte
ich Euer
Bildniss, das mir von Bazzotto wohl erhalten uncl ohne irgend
eine Beschädigung überbracht Worden ist, und für Welches
ich Euch meinen besten Dank sage. Es ist ausnehmend
schün und so lebexldig, dass ich mitunter Wirklich irre ge-
fiihrt werde, indem ich mich Euch selbst gegenüber zu beün-
den und Eure Worte zu hären glaube. Ich bitte Euch Nach-
sicht mit mir zu haben 11m1 mir den Aufschub und die Ver-
zügerung des meinigen zu verzeihen, welches ich Wegen mei-
ner wichtigen und ununterbrochenen Beschäftigungen bis jetzt
noch nicht eigenhändig habe machen künnen, Wie unsere Ver-
abredung lautete. WVohl hätte ich es Euc-h von einem meiner
Zijglinge gemacht und von mir übergangen sehicken künnen,