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eineLebensbedingung von solcher Wiclmtigkeit, wie sie ihm durch
niehts Anderes ersetzt zu werden vermag. Und so wurde denn
durch diese Aufgaben und deren tief innerlichen und cyklischen
Zusammenhang Rafael in sicherer und konsequenter Ent-
wickelung zu der (ilanzeshijhe saines Lebens und Streberxs
emporgeführt, auf welcher ihn uns die folgenden Briefe zei-
gen. In don Beginn dieser Entwickehmg fällt noch der Brief
an Francesco Ifraucia, sowie das Sonett (Nr. 49), in deren
Mitte die Briefe an den Oheim Ciarla und den (irafen Casti-
glione, in die Periode des "nur zu rasch durch den auf stets
neue Gebiete sich erstreckenden Eifer Rafaels llerbeigeführten
Schlusses derselben dessen Bericht an Papst Leo X. über
die rämischen Alterthümer. Und während uns so die Briefe in
bestimmter Stufenfolge die verschiedensten Momente des ra-
faelischen Lebens vorführen, ist es doch immer derselbe Geist
kindlicher Liebe und reinster vollendetster Humanität, der
ans diesen, meist zufälligen und äusserlich unwichtigen Mit-
theilungen Rafaels hervorleuchtet und der auf der andern Seite
auch den Grundgedanken und den eigentlichen Inhalt seiner
so mannigfachen und umfassenden künstlerischen Thä-tigkeit
ausmacht.
Denn das Vermügen, alle Gebiete der Kunst und der
geistigen Entwickelung seiner Zeit aus diesem einen Stand-
punkte zu Llmfassen und sowohl in seinen Werken, als an
seiner eigenen Person selbst zur Erscheinung zu bringen, ist
es vorzüglich, das, wie den Reiz, so auch die gesclüchtliche
Bedeutung seiner Werke ausmacht, so wie es ihn andrerseits
zu einem Wahren Ideale reinster Humanität für alle Zeiten
erhebt. Und zwar kommt dazu, um Rafaefs Bedeutung von
der der gleichzeitigen Kunstgenossen zu unterscheiden,
noch der Umstand, dass ihm diese hohe Stellung mehr durch
die angeborene Liebenswürdigkeit saines Wesens, die wie
die kürperliche Schänheit ein freies Geschenk des Himmels
an seine Lieblinge ist, als in Folgc angestrengten Bemühens
zu erreichen vergännt war.
Dies ist nicht etwa so zu verstehen, als ob er ohne
eigenes Thun und gleichsam zufällig zu seiner künstlerischen
Vollendung gelarlgt sei keine künstlerische Vollendung wird
so leichten Kaufes erworben und bei Rafael ist in viel
hüherem Grade, als man dies gewühnlich zu thun pHegt, Gin
langer und angestrengtel- Entwickelungsprocess anzunehmem
Künstlcr-Briufe. l. 8