99
eine Bitte, die in dem Begleitschreiben des Jafredrxs Kardi
vom 19. Aug. näher dahin bestimmt wird, man müchte ilmf
wenigstens den nächsten September noch auszubleiben ge-
statten. Dann würde er unbedingt zurückkehren.
Der Gonfaloniere Pietro Soderini antwortet darauf den
9. October- d. J. an Jafredus, Leonardo da Vinci habe sich
nicht wie er sollte gegen die Republik betragen; denn er
habe eine gute Srlmme Geldes empfangen und einen kleinen
Anfang zu einem grossen Werk gemacht, das er ausführen
selle, und die Sache aus Liebe zu Ew. Herrl. (es ist Jafre-
dus und der Generalstatthalter gemeint) verzägert. Nun aber
wünschten sie (Soderini und die Signer-i) nicht länger mehr
um Aufschub ersucht zu werden, indem das Werk der Ge-
sammtheit Genüge zu leisten habe und sie einen weiteren
Aufschub nicht verantworten kännten.
Man kann sich sehr wohl denken, dass der treifliche
Soderini, der Freund der Künstler und der Künste, so wie
die Signorie der als Heimath und Sammelpunkt der grüssten
Kunstschüpfungen bekannten Stadt sehr ungehalten über die
Unterbrechung jener Arbeit waren, die sehon in ihrem Ent-
wurf einen bis dahin uner1161'ten Beifall errungen und die in
ihrer Vollendung eine der grüssten Zierden der Stadt zu wer-
den versprach. Aber ebensowenig kann man dem Künstler,
dessen grosser und ehrenhafter Üharakter über allem Zweifel
erhaben steht, verdenken, wenn er zügerte eine Arbeit weiter-
zu Iühren, deren früher oder später eintretenden Ruin er
mit Bestimmtheit voraussah. Endlieh scheint er sich zur
Rückkeln- entschlossen zu haben, und am 16.December 1506
schreibt Chaumont, der vorerwähnte Generalstatthalter von
Mailand, an die Signorie von Florenz, folgenden warmen
Empfehlungsbrief, der für den Schreiber, wie für Leonardo
gleich ehrenvoll ist. Alle, sagt er, die Leonardds Werke ge-
sehen, hätten eine grosse Neigung zu ihm gefasst, ebenso
auch er, der Schreiber des Briefes. Aber naehdem er hier
mit ihm verkehrt und durch eigene Erfahnulg seine mannigfal-
tigen Tugenden erprobt, habe cr wirklich gesehen, dass der
Ruhm, den er in der Malerei erlangt hat, dunkel im Ver-
gleich zu dem sei, den er wegen seiner andern ihm inne-
wohnenden Tugenden verdiene. Er habe ihn in allen Din-
gen, in der Zeiehnung, Baukunst u. s. w. als treiflich erprobt.
Damit sage er der Signorie seinen Dank, er würde Alles,
7G