VENEDIG.
79
kleidet, zum Feste zu führen. Wie blitzten die funkelnden Augen-
sterne der glutäugigen Venetianerinnen, wie glänzten ihre ala-
basterweissen Nacken und Hände und doch verdunkelt von der
Königin des Festes, der neid- und widerspruchslos der Schön-
heitspreis zuerkannt wurde. Die Musik erklang, die Paare
stellten sich zum Reigen. Eröffnet wurde der Festzug von der
Königin und dem norddeutschen Abgesandten der alten Hanse?
Städte, dem reichen Kauf- und Handelsherrn der Nordsee. Ein
herrliches Paar. Sie die unumschränkte Herrscherin auf dem
Gebiete körperlicher Reize, er eine imposante Hünengestalt mit
wasserblauen Augen und goldigem Lockenhaar, in urwüchsiger
Kraft der beste Vertreter norddeutschen Handels- und Gewerbe-
Heisses. Beide die echten Repräsentanten von Schönheit und
Reichtum, den beiden Angelpunkten, in denen sich die gesamte
Menschheit bewegt. Sollte nicht der verlockende Glanz des
Goldes die Umwandlung hervorzubringen im Stande sein, die
ich mit meiner Kunst bisher vergeblich mich bemüht? Sollte
Pluto nicht die Kraft haben jedes Gestein zu erwärmen? Gold
und Marmor haben ja stets in bester Farbenharmonie gelebt.
Bange Zweifel quälten mein Herz. Kaum fand ich Beherrschung
genug, meine Augen den anderen Festgästen zuzuwenden, die
paarweise folgten in Samt und Seide mit Juwelen übersäet,
und doch nicht im Stande, jene zu überstrahlen. Die Königin
schien von dem Fest. auf dem ihr alles mit Jubel und Begei-
sterung huldigte, auf dem ihre Schönheit Triumphe über Tri-
umphe feierte, nicht so entzückt zu sein wie ich erwarten durfte.
lhr Stolz, ihr hoher Sinn fand genügende Befriedigung. Aber
selbst unter venetianischer Farbenglut schmolz das steinerne
Herz für mich nicht. Der Marmor sehnte sich nach dem eisigen
Norden aus Gründen, die ich leider nur zu richtig geahnt.
f"