Volltext: Kunstästhetische Sünden

VENEDIG. 
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kleidet, zum Feste zu führen. Wie blitzten die funkelnden Augen- 
sterne der glutäugigen Venetianerinnen, wie glänzten ihre ala- 
basterweissen Nacken und Hände und doch verdunkelt von der 
Königin des Festes, der neid- und widerspruchslos der Schön- 
heitspreis zuerkannt wurde. Die Musik erklang, die Paare 
stellten sich zum Reigen. Eröffnet wurde der Festzug von der 
Königin und dem norddeutschen Abgesandten der alten Hanse? 
Städte, dem reichen Kauf- und Handelsherrn der Nordsee. Ein 
herrliches Paar. Sie die unumschränkte Herrscherin auf dem 
Gebiete körperlicher Reize, er eine imposante Hünengestalt mit 
wasserblauen Augen und goldigem Lockenhaar, in urwüchsiger 
Kraft der beste Vertreter norddeutschen Handels- und Gewerbe- 
Heisses. Beide die echten Repräsentanten von Schönheit und 
Reichtum, den beiden Angelpunkten, in denen sich die gesamte 
Menschheit bewegt. Sollte nicht der verlockende Glanz des 
Goldes die Umwandlung hervorzubringen im Stande sein, die 
ich mit meiner Kunst bisher vergeblich mich bemüht? Sollte 
Pluto nicht die Kraft haben jedes Gestein zu erwärmen? Gold 
und Marmor haben ja stets in bester Farbenharmonie gelebt. 
Bange Zweifel quälten mein Herz. Kaum fand ich Beherrschung 
genug, meine Augen den anderen Festgästen zuzuwenden, die 
paarweise folgten in Samt und Seide mit Juwelen übersäet, 
und doch nicht im Stande, jene zu überstrahlen. Die Königin 
schien von dem Fest. auf dem ihr alles mit Jubel und Begei- 
sterung huldigte, auf dem ihre Schönheit Triumphe über Tri- 
umphe feierte, nicht so entzückt zu sein wie ich erwarten durfte. 
lhr Stolz, ihr hoher Sinn fand genügende Befriedigung. Aber 
selbst unter venetianischer Farbenglut schmolz das steinerne 
Herz für mich nicht. Der Marmor sehnte sich nach dem eisigen 
Norden aus Gründen, die ich leider nur zu richtig geahnt. 
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