Volltext: Kunstästhetische Sünden

DIE 
VERDIENSTE 
DER 
VANDALEN 
UM 
DIE 
KUNST. 
Sache bei der Ausführung, eine kindliche Freude an der eignen 
Arbeit vor, so wurde in dieser Epoche eine Kunst geschaffen, 
die hauptsächlich in dekorativer Hinsicht an Reiz und Liebens- 
w ürcligkeit, 
8.11 
echtem 
Schönheitssinn, 
8.11 
Weisheit 
der 
nützung der Wittel durchaus mitldem Schönsten, was der mensch- 
liche Geist auf profanem Gebiet je geleistet, wetteifern kann. 
Die Frührenaissance, so wenig sie ihren Ursprung aus der alt- 
römischen Formenwelt verleugnet, macht doch in viel höherem 
Grade einen eigenartigen und selbständigeren Eindruck als die 
Hochrenaissance. Diese letztere, die angebliche Blütezeit, krankt 
am Klassizismus. Statt sich reicher, freier, origineller zu ent- 
falten geht sie in dem Masse, wie die Kenntnis der altgriechischen 
und römischen Kunst sich vermehrte, wieder auf diese in einer 
solch umfassenden Ausdehnung direkt zurück, dass schon. 
dadurch das von mir aufgestellte Paradoxon, die Vandalen nicht 
als Kunstschänder sondern als Kunstmäcene in Zukunft zu feiern, 
aufs schlagendste bewiesen ist. 
Dass eine Frührenaissance in so neuschöpferischer Weise 
entstehen konnte, das verdanken wir der umsichtigen Kunstliebe 
der altgerrnanischen Recken. Sie schlugen die allmächtige 
antike Kunst in Trümmern, damit aller Orten eine nationale, 
neue aufkommen und Platz gewinnen könne. Wir fortgeschrit- 
tenen uncl zivilisierten Epigonen graben auf Reichskosten zu 
Olympia und Pergamos dürftig bekleidete Frauenzimmer aus, 
bevölkern zum allgemeinen Gaudium der Schuljugend damit 
unsere Museen und stecken sie dann den hoffnungsvollen Kunst- 
schülern in die Vorbildermappe. Dazu kommt noch die Quint- 
essenz aus dem Reiche des Inka, Montezuma oder Grossmogul, 
etwas Alhambra, einige türkische Minarets, japanische und 
chinesische Vasen von 2-7 italienischen Akanthusblättern um- 
schlungen, indischer Lack übers Ganze und der Urtypus eines 
modernen Privatpalastes wäre fertig.  
	        
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