Volltext: Kunstästhetische Sünden

DIE 
VERDIENSTE 
DER 
VANDALEN 
DIE 
KUNST. 
ja gipfelt jene in dieser, so zerschneidet man mit dem Tafeltuch 
zwischen Kunst und Kirche zugleich auch die Hauptpulsadern jener. 
Ein Dahinwelken, ein kümmerliches Hinfristen wenn nicht völliges 
Absterben ist die Folge. 
Im Mittelalter dagegen besteht ungetrübt der herzlichste Bund 
zwischen beiden. Daher zeigt aber auch die Kunst die herrlichste 
Entfaltung, daher ist sie wohl mit dem mächtigen, urgermanischen 
Lindenbaum vergleichbar. Unserer modernen Architektur scheint 
als ldeal die Pappelallee vorgeschwebt zu haben. 
Hat ferner die mittelalterliche Architektur viel Ähnlichkeit 
mit einer Alpenlandschaft mit ihren majestätischen Bergriesen, 
ihren glühenden Firnen, ihren ewig grünenden himmelempor- 
strebenden Wäldern, so ähnelt die des letztverilossenen Menschen- 
alters jenen unendlichen Moorgegenclen bei Lüneburg. Dort ein 
phantasievoller Wechsel der erhabensten Naturschönheiten, hier 
eine unendliche graubraune Ebene. Der Moorbrand wühlt unter 
der Erdclecke, 
der Höhenrauch 
die Luft und 
Verdüstört 
ein bren- 
zelnder Geruch beklemmt die Brust. 
Freilich entrollt sich 
wenn 
1'113.11 
das Mittelalter 
Gesamtheit 
in seiner 
überblickt 
Bild 
das 
einer 
wahrhaft 
genialen 
Unordnung. 
aber 
einer 
Unordnung die 
merkwürdig genug hervorgerufen ist durch den übermässigen 
Drang nach Ordnung und darum eben recht naturwüchsig. Das 
schafft ja auch den wundersamen Charakter, die reizenden ma- 
lerischensilhouetten der gotischen Bauwerke besonders der nicht- 
kirchlichen, dass sie als die personiiizierte Unordnung erscheinen, 
erwachsen aus dem übermächtigen, weil allzu individuellen Trieb 
einzelnen. 
Ordnung des 
nach 
Beherrscht bei uns die Uniform den gesamten Staatsorganismus, 
so ist selbstverständlich, dass das gesamte Bauwesen in der Ka- 
serne gipfeln muss. Dazu wird in der Akademie die Theorie, im 
Bureau die Praxis gemacht, das einigende Princip ist die stets 
wachsende Steuerschraube. 
	        
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