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DIE
VERDIENSTE
DER
VANDALEN
UM
DIE
KUNST.
nicht gotisch d. h. katholisierend gebaut wurde. An sich ist wohl
jeder Kunststil über kleinliche Religionszänkereien erhaben, allein
wenn wir einmal einer Konfession einen besondern Baustil vin-
di-zieren sollen, so können wir wahrheitsgemäss nicht die Gotik
sondern nur die Verfallzeit der Renaissance also den Barock-
oder jesuitenstil dem Katholizismus zurechnen.
Das also lehrt die Geschichte, dass ein Volk nur dann seine
Selbständigkeit bewahren kann, wenn es eine eigne und eigen-
artige Kultur behauptet und dass die politische Unabhängigkeit
mit der geistigen Überlegenheit entsteht und fällt. Die Juden
verloren Land und Staat und retteten dennoch ihren Volkscha-
rakter, weil ihr Glaube und ihre Kultur original blieben. Sowie
sie aber diese fahren lassen, werden sie vom Kosmopolitismus
aufgesogen und schliesslich als Gründer in den wohlverdienten
Adelstand erhoben.
Die überlegene Kultur aber, die ein Volk vor einem andern
voraus hat, lässt sich auf dieses nicht so schnell übertragen; ge-
waltsam einimpfen nun schon garnicht. Der Prozess muss sich
von selbst und von unten nach oben vollziehen. Mit Machtworten
kann nie etwas erreicht werden.
Vor anderthalbhundert Jahren als Russland in den Kreis der
Europäischen Kulturmächte einzutreten begann, zog Peter der
Grosse Gewerbe, Handel und Geistesarbeit von Aussen ins Land
und seitdem haben es alle russischen Herrscher bis zu Alexan-
der II. so gehalten. Allein diese von oben her importierte Kultur
war und blieb unnational. Sie fand im Land und Volk zu wenig
Wurzel und störte nur die innere Harmonie des russischen Volks-
tums. Es war eben nicht von nachhaltendem Nutzen, ja sogar
schädlich westeuropäisches Städteleben übergangslos mitten
in halbasiatische Bauernzustände zu stellen. Der gemeine Mann
blieb ein ganzer Russe und was für einer, der Gebildetere ward,
wenn es hoch kam, ein halber Russe und ganzer Nihilist, die