DIE
VERDIENSTE
DER
VAN DALEN
UM
DIE
KUNST.
es nicht zugleich im Volkscharakter sein Fundament gefunden
hätte. Reiche Anlage verbunden mit üppiger Ornamentation ist
das spezihsche Kennzeichen des durch Handel und Gewerbe
berühmten Frankenlandes.
Die verschieden gearteten Bodenverhältnisse und die Be-
sonderheiten der Volksstämme haben also der Deutschen Kunst
innerhalb der Einheit eines allgemeinen Deutschen Stils eine
Mannigfaltigkeit der Formen und Originalität der Technik ge-
geben, die eine Analogie nur in den Variationen der Pflanzenwelt
unter verschiedenen Himmelsstrichen findet. In dieser Indivi-
dualisirung und Originalität, in dieser Decentralisation der
deutschen Kunst wurzelt ihr reiches Leben, ihre ewige Jugend.
Die Kunst vertieft ihre NVurzeln in das Leben des Volks und
durchdringt dasselbe in allen seinen Beziehungen. Haben etwa
die Griechen und das Mittelalter ihr tiefes Kunstgefühl und Ver-
ständnis aus Kunstmausoleen, Akademien, illustrierten Zeitungen
oder Handbüchern der praktischen Ästhetik geschöpft? Haben
auf der andern Seite die ihrer Heimat entrissenen ins British
Museum Verpllanzten Meisterwerke des Phidias, die sogen. Elgin
Marbles auch nur den geringsten Einfluss auf die moderne
englische Bildhauerei gehabt? Denn nach wie vor bringt man
selbst die unartigsten Kinder in England augenblicklich zum
Gehorsam durch die allerdings fürchterliche Drohung: Sei artig
oder man setzt dir auf Staatskosten ein Denkmal!
Nur da kann die Kunst gesund aufwachsen, wo sie dem
Boden der Heimat entsprosst und von ihr genährt wird. Wenn
sie nicht ihre ganz individuellen Züge, einen vorwiegend provin-
ziellen Charakter zeigt, dann ist sie eine TreibhauspHanze, die
zwar bis zur Blüte gelangen kann, aber nur um desto rascher
zu Grunde zu gehen. Die Kunst ist partikularistisch von Natur.
Athen, Florenz, Nürnberg. Wittemberg etc. haben ihre lokalen
Kunsthütten gehabt, die allemal dem Charakter des Volkstums