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ÜBER
MODERNE
KUNSTKRITIK.
sich mit Zinnober vergiftet zu haben scheint. Die riesige Röte
seines Körpers fände dadurch die natürlichste Erklärung. Oder
sollte er ungeimpft sein, die Blattern haben und deswegen aus-
kratzen? Allein dann würde er unter gesundheitspolizeilicher
Aufsicht stehen und sicher etwas anderes zu thun haben als starr
und unverwandt auf den Mantel zu stieren, der dadurch zum
Mittelpunkt der ganzen Handlung wird. Eine Nüance, der man
allerdings die Originalität nicht absprechen kann. Josef ein Semit
von krümmster Nase, gedrückter Figur, krausem Haar mit obli-
gaten Schmachtlocken und schön gebogenen Schwefelhölzern
die überdies noch total verzeichnet sind hat durchaus nicht
einen Ausdruck von Erhabenheit in seinem Gesicht, wie er nach
einem solchen Seelenkampf zu erwarten war. Er blickt nur
niedergeschlagen auf den zurückgelassenen Mantel. Dieser ist
noch funkelnagelneu von tiefem satten Ultramarinblau mit echtem
Karminlack N0. II gefüttert. Dadurch dass der Mantel eben noch
so neu ist, ist freilich Josefs herber seelischer Schmerz um den
plötzlichen Verlust desselben sowie Suleikas unverkennbare
Freude reichlich motiviert. Allein man kommt dabei doch auf
den Verdacht, dass Josef den Mantel aus andern Ursachen in
den Händen der Suleika gelassen habe, vielleicht als Pfand für
eine fällige Wechselforderung und dass das Bild umgetauft sei
und früher richtiger geheissen habe:
Abraham Schmuhl bei der Trödlerin.