THEORIE.
vielmehr betrachtete er sie durch den durch und durch subjek-
tiven Farbenschleier seines innerlich erregten Auges. Er sah in
den Dingen immer nur sich selbst, eine wachsweiche Persön-
lichkeit, die den Kampf mit der Aussenwelt gar nicht kannte.
Makart war ein Farbenträumer. In die natürliche Organisation
der Menschengestalt tiefer sich zu versenken, hat er nie gedacht.
Nie ist ihm der Gedanke gekommen die Oberfläche des Leibes
mit studierendem eindringenderen Blicke zu betrachten. Was
ein Gelenk ist, hat er als Künstler nie gewusst und nie hat er
das zarte Licht- und Farbenleben, das auf der menschlichen Haut
spielt, einer ernsteren Betrachtung unterzogen. Bei ihm glänzt
"alles wie eine Speckschwarte! Eben so wenig hat er sich in das
psychische Leben eingetaucht. Seine Köpfe sind ohne Seele,
ohne Geschichte, ohne Schicksal. Der äussern wie innern Wirk-
lichkeit gegenüber stand er völlig hilflos da. Kein Wunder, dass
er die mittelmässigsten Porträts gemalt hat, die je ein Pinsel
geschaffen. Allein trotz aller dieser Ausstellungen, die auch we-
niger als Tadel sondern nur als gewissenhafte Charakteristik
seiner Künstlernatur aufzufassen sind, hat es Makart doch durch
sein unbestrittenes Genie zu einer Höhe gebracht, die der Mitwelt
gerechte Bewunderung abzwingt. Zwar ist ihm jeder intime zu
Herzen gehende menschliche Zug fremd, aber wie eine rauschende
Militärmusik wird er uns doch durch seine in mächtigen vollen
Tönen angeschlagenen Farbenakkorde stets in festliche Stimmung
versetzen. Makarts sittliche und künstlerische Kraft hat sich im
NVeibe erschöpft. Er hat von der gesamten Schöpfung und ihren
Schönheiten nur das Weib gekannt, aber auch das nur in seinem
paradiesischen Naturzustand!
Wenn
wir
einmal
auf
der
Kultur-
oder
Sittlichkeitsstuf e
stehen werden, einen nackten männlichen Körper schön zu finden,
dann will ich meinen jetzigen Standpunkt in der Nuclitätsfrage
den ich nämlich auch den Mut habe frei zu bekennen verlassen.