ÜBER
MODERNE
KUNSTKRITIK.
die Zeichnung "brav." Will man einen Künstler persönlich insul-
tieren, so nennt man ihn Herr! Nicht viel besser ist es ihn „talent-W
voll" oder gar "Heissig" zu nennen. Das ist ziemlich dasselbe
wie im gewöhnlichen Leben ein „guter Kerl", (d. h. mögen mach
he wol, abers könen kann he nich! Ist der Künstler noch nie in die
Klauen der Kritik gefallen und durch alle Blätter gehetzt worden,
dann ist er der „in weitesten Kreisen wohlbekannte." Hat er aber
irgendwo
eine
Staatsprämie
erwischt
"dem
Verdienste
SO
und
soviel Kronen", dann wird er kühn annektiert und Hunser" genannt.
Die Malerei teilt man ein am schwierigsten nach den darge-
stellten Gegenständen und spricht von Historien-, Tier-, Porträt-,
Genremalerei etc. Dies ist nämlich nicht so einfach, wie es
aussieht. Denn die Maler, von denen doch am Ende die Bilder
eigentlich herkommen, haben wahrscheinlich nicht daran gedacht
ihre Kunst auf diese Weise abzuteilen, dies haben mutmasslich
die Kunstverständigen erfunden zu ihrer Bequemlichkeit und um
mehr Gegenstände ihres Urteils zu haben. Qualifiziert sich doch
gerade diese Einteilung sehr zur Anbringung der scharfsinnigsten,
geistreichsten und imponierendsten Redensarten. Allein die
Künstler haben sich niemals viel um ihre Klassißzierung ge-
kümmert, sondern Hottweg gemalt, unbesorgt zu Welcher Gattung
ihr Bild gehöre. S0 ist es wirklich manchmal recht schwer zu
entscheiden, wohin dies oder jenes Kunst- oder Machwerk gehöre.
Ganz stümperhafte Leistungen bekommt man indes in Folge der
segensreichen Einführung des „bethlehemitischen Kindermordes"
auf neueren Kunstausstellungen nicht mehr zu Gesicht.
Der Vorrang in der Malerei gebührt natürlich der Historien-
malerei. Schon das Wort klingt äusserst vornehm. Von dieser
muss man stets schwärmen, nach ihr ungeheure Sehnsucht em-
pünden und ihre Abnahme bedauern. Hat sich aber ein histori-
sches Bild einmal auf die Ausstellung verirrt, so
Vlerzückung geraten, mindestens eine Stunde lang
muss man in
vor dem Bild