ÜBER
MODERNE
KUNSTKRITIK
schützendes Bretterkastl ein und lässt sie nur an warmen Sommer-
tagen das rosige Sonnenlicht erblicken. Die glücklichste Lösung
der ganzen Frage ist Wohl den Dresdnern gelungen, die mit
ihrem vergoldeten Sandstein den Nagel auf den Kopf ge-
treffen haben.
Bekannt ist, dass der Bildhauer seine Figuren in wahrem
Sinne des Wortes anziehen muss. Freilich dürfen anderseits die
Gewänder nicht zu fest am Körper kleben. Das giebt dann den
Anschein, als wäre die Statue eben erst von einer Spritzenprobe
nach Hause gekommen. Soll nämlich die Gewandung wirklich
der Widerhall der Muskeln sein, so muss eine Statue mit ana-
tomischer Genauigkeit aufgebaut werden. Soweit wird die
Arbeit keine Schwierigkeiten bieten. Doch jetzo naht sich das
Malheur! d. i.. jetzt müssen die modernen Kleidungsstücke auf-
gelegt werden. Da schwitzt der Künstler freilich oft Blutstropfen.
wenn er seinem Helden fagonnierte lnexpressibles, einen Salon-
frack oder zweikpöpfige Handschuh anziehen, wenn er ihn mit
Angströhre und Nasenquetscher darstellen soll. Gegen letztere
Übel hilft weder der rettende Universalengel, der Paletot, noch
auch die jägersche N ormalkleidung.
Ich komme nun zur Malerei. Als Bildträger können die
mannigfachsten Dinge dienen, da sich schliesslich alles mit Aus-
nahme von Meeresspiegeln, Flussbetten, Wolkenschleiern und
Wiesenteppichen bemalen lässt. Vor allem Leinwand, Holz,
Metall insbes. Kupferplatten, Papier, ferner Steine (in welchem
Fall man von monüm entaler Malerei spricht), Eier (zu Ostern).
Glas, Porzellan und Thon (was man mit dem Wissenschaftlichen
Sammelnamen Keramik bezeichnet), getrocknete Blätter und
Baumrinden (bei den Wilden), seidne Kleider (bei civilisierten
Damen), Papyrusrollen (bei den alten Ägyptern), Tierfelle zu
Pergament bearbeitet (im Altertum und Mittelalter), Menschen-
häute in Gestalt von eingefallnen Wangen (bei schönen Damen