Volltext: Kunstästhetische Sünden

THEORIE. 
Nürnberg und Umgegend zu beschränken. In Unterfranken wird 
er durch Riemenschneider, in Schwaben durch Syrlin, in 
Schleswig-Holstein meerumschlungen durch Brüggemann er- 
setzt. Das bringt eine gewisse Abwechslung hervor, kostet nichts 
und kann sogar gediegene Kunstkenner verblüffen. 
Im XVlLjhrh. wird die Sache brenzlich und geht man immer 
sicherer von nun an sich höchst abfällig zu äussern. Ehe man 
bemalte Holzskulpturen tadelt, suche man durch geeignetes 
Fragen der Museumsdiener, oder durch heimliches Umdrehen 
der Figur oder durch andere passende Kniffe die Holzart des 
Schnitzwerks herauszubekommen. Nur bei Eiche und Nussbaum 
klage man über ästhetischen Unverstand und widersinnige Ma- 
terialverhüllerei. Bei vergoldeten Holzschnitzereien hat man 
prächtige Gelegenheit auf den Rokokostil zu kommen und auf 
dessen Phantasiearmut und mangelnden Farbensinn herumzu- 
reiten. Steht man indes in abhängigem Verhältnis zum Bayrischen 
Hofe oder ist man gar geborner Sachse, na denn unterlässt man 
es lieber. 
Bei Gold- und Silbersachen muss man sich immer den Rücken 
frei halten, dagegen sind Bronzegüsse stets vorzüglich. Hier 
kann man ganz passend etwas Enthusiasmus anbringen, die durch 
die Patina erzielte malerische Wirkung betonen und auf den 
Zinkguss und das Surrogateilunviresen schimpfen. 
An die Patina, die durch die Verbindung mit Sauerstoff be- 
wirkte grünliche Abtönung der Bronze, lassen sich herrliche 
technisch-chemische Auseinandersetzungen anknüpfen um so 
mehr, als der eigentliche Grund, warum bei uns die Bronzedenk- 
mäler lieber Russ und Kohle statt edle Patina ansetzen, bei den 
Fachgelehrten noch streitig ist. Viele glauben ihn im zu grossen 
oder zu geringen Prozentsatz von Zink zu finden, andere meinen 
mit mehr Recht, es läge lediglich an der Gusshaut. Jeder 
Bronzeguss zeigt nämlich, wenn er aus einer modernen Sandform
	        
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