Volltext: Kunstästhetische Sünden

ÜBER 
MODERNE 
K UNSTKRITIK. 
vorzüglich und müssen 
bestreut werden. 
schon 
VOII 
Amtswegen 
mit 
Weihrauch 
Empfinden ist überhaupt der Beweis einer sehr niedrigen 
Kulturstufe. Emplinden kann schliesslich jeder Affe, urteilen aber 
trotz Darwin und Häckel nicht. Schläge empfinden kann jeder 
Strassenjunge, um aber über Schläge urteilen zu können, muss 
man Wenigstens die höhere Volksschule oder andere tiefere Stu- 
dien genossen haben. Doch den bildungsunfähigen Tross wird 
man nie dahin bringen können die Empfindung bei Seite zu setzen. 
Er wird daher auch nie sogenannten Kunstgenuss haben können. 
Dieser ist als Privilegium nur einem viel engeren Kreise vorbe- 
halten. In der untersten Klasse sitzen die simplen Kunstfreunde. 
Sie begnügen sich mit stummem Kopfnicken oder Schütteln. Ihren 
Kunstsinn legitimieren sie nur durch eine Mitgliedskarte des A1- 
brecht-Dürer-Vereins. Fangen sie aber an sich selbständig zu 
entwickeln, ihre Meinung mit stolzem Mannesmut zu äussern, ja 
wohl gar mit kühnen Schlagworten um sich zu werfen, so avan- 
cieren sie zu Kunstkennern. Lassen sie aber ihre Urteile im 
oder wohl gar in 
sie auf dem erha- 
Wurst- und Käseblättchen natürlich anonym 
besonderen Broschüren drucken, dann stehen 
benen Standpunkt eines Kunstkritikers oder -richters, (re- 
censens artistico-encyclopzedicus). Letztere beide Klassen sind 
in Folge ihres unermessbaren Kunstverständnisses natürlich von 
der modernen oder der mittelalterlichen Kunst wenig erbaut und 
deshalb oftlmit den indischen Klageweibern vergleichbar. Üben 
sie die Kunst jedoch zur Qual ihrer Mitmenschen aus, so kommen 
sie in die noch höhere Abteilung der Kunstdilettanten, d. h. 
Liebhabern der Kunst ohne Gegenliebe. Dass sie dann auf die 
blossen Kunstfreunde, die ja von der Praxis keinen Schimmer 
haben, mit einer grenzenlosen Verachtung herabblicken ist selbst- 
verständlich. Haben sie es sogar bis zum Öl gebracht, dann ist 
es absolut nicht mehr mit ihnen auszuhalten. Ihre letzte Arbeit
	        
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