tigkeit (lieser Frage halte ich's für angezeigt, auf das, Wort
eines wohlunterrichteten Unbekannten hinzuweisen, der um die
Wende des eilften Jahrhunderts schrieb. Der Anonymus Bernen-
sisf) mahnt nämlich trotz der eingehendstvoii ihm gegebenen
Vorschriften dringend zu eifrigem Weiterstudium zum Zwecke
besserenVerständnisses und zur Fortentwniickelung des durch ihn
Gebotenen. Er erkennt, dass bei syistematischem YVeiterstudium
das angeregte Nachdenken zum Forschen und Experimentircn
führt, dessen der Künstleyhicht entbehren kann. Denn be-
kannt mit dem Vorangegangenen und voll von freudiger Schaffens-
lust, wusste er ausßErfahrung, wie die Beachtung und Benutzung
scheinbar geringfügiger Dinge, die man unmöglich alle besprechen
kann, höchstfwichtig ist. Eben seine Schrift über die Ei-
tempera veranlasst mich, ein Beispiel anzuführen, welches das
Ge estätigt und woraus erhellt, dass diese Anschauung
kei einseitige war, sondern zu anderer Zeit und an anderem
4- Cennino Cennini sagt in seinem Buche von der Kunst oder
Tractat der Malerei, Paragraph einhundertsiebenundvierzig, dass
man sich zum Malen frischer, heller Fleischtöne des Dotters
eines von einer Stadthenne gelegten Eies bedienen soll, weil
diese Dotter lichter sind, als von den Landhennen, welche eine
durchweg röthlichere Färbung zeigen und dementsprechend zu
verwerthen sind. Der Unterschied besteht aber nicht allein in
der Farbe, und wenn derselbe heute auch noch nicht wissen-
schaftlich festgestellt ist, so lehrt ihn uns doch die Erfahrung.
Ich benutze diesen Umstand darauf hinzuweisen, wie richtig
das vorhin Gesagte ist, und wie nothwendig es ist, auf Grund
des Gegebenen weiter zu forschen, und nichts auf diesem Ge-
biete als unwesentlich zu betrachten. Wenn wir bewundernd,
oft mit einem gewissen Neide vor den wohlerhaltenen Bildwerken
früherer Meister stehen, dann (lürfen wir nicht der Mühen, der
Sorgfalt vergessen, die jene dem technischen Theile zugewandt
haben, Die oben erwähnte Unterscheidung CenninPs berührt
Manchen gewiss etwas fremdartig, und doch ist die Erklärung,
die Cennini zwar nicht beifügt, bald gegeben. Als man noch
i) Anonymns Bernensis über die Bindemittel und das Coloriren
von Initialen. Zum ersten Male aus der Berner Ilandsehrift heraus-
gegeben und mit einer Uebersetzwmg versehen von Hermann Hagen.
Mit einer Notiz über die Quellenlitteratnr der Eitemlaeratechnil: von
Albert Iig. Wien 1874. W. Braumiilier.