Volltext: Beiträge zur Technik der Monumentalmalverfahren

anwurfe senkrechter Wände findet. Es wurde also ein wesent- 
lich anderer Zweck verfolgt. Diese letztere Annahme finden 
wir durch die Vorschriften der schon erwähnten Hermeneia 
(des Buches der Malerei vom Berge Athosf) bestätigt. Auch 
hier wird dasselbe Ziel angestrebt: den Untergrund nach Mög- 
lichkeit lange feucht zu halten, um den sich im Mörtel voll- 
ziehenden Prozess zu verlangsamen und einen gleichmässigen 
Fortgang desselben zu ermöglichen. Wie dies die Kunstgenossen 
der Klosterzelle auf dem Berge Athos von unten herauf bis zur 
Bildfläche zu erreichen suchten, zeigen die unten, gegebenen 
Notizen; Vitruvff) findet auf anderem Wege dasselbe Ziel. Ich 
schicke voraus, dass Vitruv ausser dem Rauhanwurfe noch sechs 
weitere Schichten anordnet; drei feinsandige, welche dem Rauh- 
anwurfe zunächst folgen, und hierauf drei Marmorstuckschichten, 
welche aus grobgestossenem, mittelfeinem und ganz fein ge- 
stossenem Marmor zu bereiten seien. Nachdem er dem Rauh- 
anwurfe, der untersten Schichte, durch das beigemengte Sumpf- 
rohr eine reiche Feuchtigkeitsquelle gegeben, schafft er in 
Mitten des Bewurfes, in jener mit grobgestossenem Marmor be- 
reiteten Stuckschichte eine weitere Feuchtigkeitsquelle, durch die 
er gewissermassen einen Auswechsel, eine- Ueberleitung, zur Ver- 
mittelung des sich sowohl von innen nach aussen, als auch von 
aussen nach innen vollziehenden Prozesses herbeiführt. Die 
  56. (Wie man Strohkalk bereitet.) Nimm reinen Kalk 
und wirf ihn in einen grossen Behälter. Wähle feines Stroh, nämlich 
mittelmässiges, nicht zu Staub gewordenes. Rühre es zum Kalk mit 
dem Haken. Wenn er zu dicht ist, so setze Wasser hinzu, bis er zum 
Punkte kommt, wo man ihn zum Arbeiten anwenden kann. Lass das 
Ganze zwei oder drei Tage stehen und du kannst dann den Anwurf 
_machen.   57 (Wie man Wergkalk macht.)  Dieser Kalk ist 
der letzt' anzubringende, der für die Bildiiäche bestimmte, darum opsis, 
die "Ansicht" genannt,  Nimm  heisst es hier  den besten 
aufgelösten Kalk, thue ihn in einen kleinen Behälter. Nimm ge- 
schlagenes Werg, das nicht viel Holztheile von dem Leinen hat. 
Drehe es und falte es, wie um ein dickes Seil daraus zu machen, 
und backe es auf einem Block mit einer Axt so klein, als du kannst; 
hebe es gut durcheinander, damit es aufgehe, und die Holztheile 
herabfallen. Bringe dann das WVerg in ein Sieb und riittele es leicht 
in den Behälter hinein, wo du es mit einer Schippe oder einem Haken 
durcheinander riihrest. Mache es wieder wie das erstemal, fiinf- bis 
sechsmal, bis der Kalk so trocken ist, dass er auf der Mauer nicht 
mehr reisst. Lass ihn wie den andern stehen und du hast so Werg- 
kalk, nämlich die opsis. 
M) Vitruv, Buch 7, Cap. 3.
	        
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