60
Vierter Abschnitt.
die Schütz, Bury, Hirt brieflich freien Lauf. Nur ein-
mal haben beide Männer sich flüchtig' in der Villa
Medici gesehen?)
Ganz und gar fern hielt sich Goethe von der spe-
ziiisch vornehmen Gesellschaft, auch der Deutschen. Er
konnte das freilich um so eher, als es den Deutschen in
Rom an einem hochgestellten und glücklich situirten
Vertreter, der zugleich Macen der Künstler gewesen
wäre, fehlte. Der Prinz Liechtenstein, mit dem
er auf Hirt's Betreiben eine ilüchtige Karlsbader Be-
kanntschaft erneuerte, konnte als solcher nicht gelten;
er war ein junger, noch unfertiger Mann, der sich vor-
übergehend in Rom aufhielt, und sich um Künstler und
Gelehrte wohl aus einem gesunden, harmlosen Interesse
kümmerte, aber nicht als ihr Beschützer und Gönner
auftreten konntefi) Wer es aber gekonnt hatte, der Ver-
treter des Kaisers, Kardinal Hrczan, der sehr wohl eine
seine Nation ehrende Stellung in der Art des Kardinals
Bernis hätte einnehmen können, war hiezu als Persön-
lichkeit ganz ungeeignet. In den einundzivanzig Jahren
(1779-1800), Welche er als Kaiserlicher Gesandter in
Rom zubrachte, ist nichts zu verzeichnen, was ihm eine
über den speziellen geistlich-politischen Gesichtskreis
hinausgehende Bedeutung gesichert hatte. Sein trockener
Sinn und sein bloss erzwungenes, innerlich fremdes Inter-
esse für deutsches Geistesleben spricht deutlich aus
seinem nach Wien gesandten Rapport über Goethe's
Anwesenheit; dass er etwas politisch Wichtiges zu tun
glaubte, indem er dem Dichter einen Brief seiner Mutter
entivenden liess, spricht auch nicht für sein diplomatisches
Talent. "Der Antiquarius Hirt," berichtete der Cardinal,
„W8l(3ll81' öfters im Hause des jungen Fürsten Liechtenstein
ist, hatte Goethe überredet, sich bei diesem, jedoch mit
ausdrücklicher Verbittung' aller Etikette, vorstellen zu
lassen, wo er denn nachher auch öfters hinkam, zu
Mittag speiste, und vom gedachten Herrn Fürsten in
die hiesige arkadisclie Versammlung' eingeführt und unter
dem Namen Megalio akklamirt wurde, von welcher Zeit