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Dritter
Abschnitt.
Neigung, die Personen in die Sphäre der Antike hinüber-
zuführen, so ist in ihren historischen Compositionen die
Neigung; zur Antike noch mehr vorherrschend. Die
Stoffe sind zum grössten Teil dem Altertum entnommen:
doch ist ihnen freilich jene Süsslichkeit der Auffassung-
nur allzuoft aufgeprägt. Auch haben diese Bilder nicht
soviel Beifall gewinnen können als die Porträts; die
Schwachen der Künstlerin waren in ihnen auch den
Zeitgenossen sichtbar. Immerhin sind auch von ihnen
eine grosse Anzahl auf feste Bestellungen aus entfernten
Ländern gemalt und daher auch in die Ferne gewandert;
so nach Rilssland auf Antrieb Katharinas der Ziveiten,
die Angelikajs Kunst ebenso wie die Hackerfs und
anderer Deutschen hochschatzte.
Doch mehr denn als Künstlerin hat Angelika als
Persönlichkeit in Rom Bedeutung gehabt. Ihr Haus auf
Trinita dei Monti, war eine Stätte edelster Geselligkeit,
an die nichts Unreines sich heranwagen durfte. In Mitten
des ausgelassenen Treibens des jungen deutschen Künstler-
volkes war ein solches, hohe Achtung forderndes und
geniessendes Haus von grossem Wert. Angelikas Gatte
hatte an dieser sozialen Stellung wenig Verdienst; er
war ein ehrenwerter, aber beschränkter, lntuptsächlich
auf Gelderwerb" bedachter Mann, der das Talent seiner
Frau als Goldgrube wohl zu schätzen wusste. Eng- mit
dem Hause verbunden war der uns schon bekannte
Hofrat Reiffenstein. Der Zuneigung, deren sich Angelika
überall erfreute, ist noch heute ihr Briefwechsel der
schönste Zeuge; besonders ihre Briefe an Goethe 9) bekunden
das zarteste und reinste Freun(lschaftsverhaltnis. Ueber
die Form muss man dabei freilich hinwegsehen; denn
Angelika war das Deutsche weniger geläufig als das
Italienische und Englische.
Ein ganz anderes Charakterbild gibt uns der meist-
genannte, deutsche Maler im damaligen Rom. Johann
Heinrich Wilhelm Tischbein war ein robuster
Mann von kühlem und ruhigem Egoismus, dem diese
Eigenschaften unter dem weichen und empfindsamen Ge-