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Zweiter
Abschnitt.
schaftsbildern, welche durch die immer sich steigernde
Italienschwärmerei des Auslandes hervorgerufen wurde,
den Landschaftsmalern die Gefahr handwerksmassiger
Produktion nahe gelegt wurde, so hatte doch anderer-
seits ihr Leben eine11 eigenartig frischen, poetischen
Reiz. Es war ein Wanderleben. Das damalige Publikum
begnügte sich nicht mit der künstlerischen Wiedergabe
irgend welches Details aus der Natur; es verlangte weite
Ausblicke, "Prospekte", die den sehnenden Wunsch nach
dem Südlande befriedigen konnten, die Himmel und Luft,
Berg und Thal dem Beschauer darboten, um seine
Phantasie darin sich ergehen und ausleben zu lassen.
Hiezu konnten natürlich nicht immer dieselben römischen
Veduten, auch von noch so entzückenden Punkten aus,
genügen; es musste das umgebende Land durchstreift
werden, das ja eine beständige Abwechslung; von Berg
und Thal, daher immer neue Überraschungen darbietet,
um noch ungekannte, frappirende Blicke und Bilder zu
linden. So zogen die Künstler, meist zu zweien oder
dreien hinaus, um in den von Cultur noch kaum be-
rührten Gegenden ein oft abenteuerliches, immer aber
poetisch reizvolles, rein künstlerisch bedingtes Dasein zu
führen. Und sie entdeckten beständig neue Schönheiten,
von denen die. wenig dem Naturgenuss hingegebenen
Römer keine Ahnung gehabt hatten. Ihre Bilder freilich
lassen u11s_ wenig von dem künstlerischen Reiz dieses
Lebens nachfühlen: wir finden sie trocken und öfters
leer; sie atmen weder die geniale Souveränität einer
einheitlichen Empfindung, wie sie Claude Lorrain's
Bilder erfüllt, noch zeigen sie die treue Wiedergabe der
Wirklichkeit, welche moderne Landschaftsmaler erstreben;
sie idealisiren nicht, sondern sie uniformiren nach unserem
Bedünken; die Zeitgenossen aber waren von ihnen nicht
nur befriedigt, sondern oft auch entzückt; sie fanden in
ihnen den Zauber Italiens; ein deutliches Beispiel, wie
die künstlerische Auflassung der Sinnesorgane sich ver-
andert und wie sehr man sich hüten muss, Kunsturteile
aus einer Zeit in eine andere zu übertragen.