Die
Anfänge Pius
Sechsten.
des
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sich aus ihnen ergebe! Am lastigsten aber wird der
Scholastizismus des Autors dadurch, dass er beständig
eine geistige und eine körperliche Schönheit unter-
scheidet und den gemeinsamen Ursachen, die in beiden
Fallen uns zu dem Urteil "schön" veranlassen, auch nur
nachzuforschen durch die Voreingenommenheit seiner
Weltbetrachtung' verhindert wird.
Höher nicht nur als Spagni, sondern auch als
Gessner stand ein anderes Werk, das in dieser Zeit
(1778) den Italienern durch Übersetzung zugänglich ge-
macht wurde: Sir Josua Reyn0lds' akademische
Reden. Der damals schon fünfundfünfzigjahrige Präsi-
dent der Londoner Akademie hatte seine Lehrzeit in
Italien schon vor einem Vierteljahrhundert absolvirt,
aber die Eindrücke der Jugend waren in ihm lebendig
geblieben, und er war weit davon entfernt, gegenüber
den g-rossen Vermächtnissen der italienischen Kunstentl-
Wicklung den englischen Nationalstolz hervorkehren zu
wollen. S0 konnten seine Reden auch in Italien gute
Aufnahme linden. Und wohl verdienten sie es, gelesen
und beherzigt zu werden. Sie sind schon auf dem Wege
der richtigen Kunsterkenntnis, sie ahnen das Ziel, wenn
sie es auch nicht erreichen. Sie stehen trotz aller Ver-
schiedenheit im Einzelnen etwa auf gleicher Entwicke-
lungsstufe der Einsicht wie die Arbeiten von Mengs; die
Notwendigkeit der wlxlaturnachahmung", aber nicht als
Ende, sondern als Anfang der Kunst, die Pflicht, über
diese Nachahmung hinauszukommen, werden gleicher-
massen anerkannt, wenn auch über das Verhältnis des
Nachgeahmten zu der eigenen Schöpfung n0ol1 keine
klare Pliusicht gewonnen ist. In der historischen Schätzung
beweist Reynolds sogar ein weiteres Verständnis als
Mengs in der hohen Verehrung Michel Angelds für den
in dem künstlerischen Dreigestirn Rafael, (lorreggio,
Tizian des deutschen Malers kein Raum war und der
überhaupt bei dem von Winckelmann angefachten
Streben nach dem einfach und harmonisch Schönen den
Künstlern und Kennern etwas in den Hintergrund ge-
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