Zweiter
Abschnitt.
Die
VOIl
Anfänge Pius des Sechsten. Letzte Tätigkeit
Raieel Menge 1774-1779.
Das vorige Kapitel hat gezeigt, wie unter der Herr-
schaft Papst Ganganellfs in Rom ein reges künstlerisches
Leben seine Wurzeln ausspannte und seine Äste aus-
breitete, wie die neue Periode, die insbesondere Winckel-
mann vorbereitethatte, anfing; eigenartige Gestalt und
schärferen Charakter zu gewinnen. Der vorzeitige Tod
des Papstes brachte darin keine Änderung; hervor. Wie
wir nach Winckelmanns Tode sagen durften: sein Vferk
wirkte fort, so auch hier nach dem Tode Clemens XIV.
Der neue Papst Pius VI. aus dem Hause Braschi. war
kein selbständiger Geist wie sein Vorgänger, aber eben-
sowenig ein Fanatiker, der sich zerstörend gegen dessen
Andenken verhalten hatte. Er war ein Mann von gut-
mütigem und heitrem Charakter; sein Ideal war ilicht
ein berühmtes Pontiiikat, aber ein anständiges und doch
zwangloses. Erhuldigte manchem weltlichen Vergnügen,
püegte selbst die Jagd; aber er wusste dennoch die
Würde seiner Stellung; zu wahren. Den Resten des
J esuitenordens und ihrer geheimen Blortdauer erwies er
im Stillen manche Begünstigung; aber eine offene Des-
avouirung seines Vorgängers lag ihm fern. Sein Inter-
esse für Kunst War massig; aber er hielt es für ange-
messen, was Clemens angefangen, fortzusetzen, und da
seine Regierung fünfmal solang dauerte als die (ianga-
nelli's, so hat ohne sein sonderliches Verdienst die Kunst-
geschichte doch seinen Namen viel öfter zu nennen An-
lass als jenen.
Der Bau des vatikanischen Museums wurde in gross-
artigster Weise fortgeführt. Gerade diejenigen Raume,
welche der Besucher jetzt zuerst betritt, und welche eine