XVIII
Einleitung.
führt ward, als welches zu aller Zeit der Dienst der
Schönheit anerkannt gewesen ist.
Die Bestimmung des Schönlieitsbegriffes blieb bei
Nilinckelniann freilich noch ungenügend und ausserlich
wie es auch Mengs Ausführungen über die „Bellezza"
sind. Es fehlte noch die tiefere Naturerkenntnis, welche
das Verhältnis von Schönheit und Xaturivahrheit hätte
feststellen können; es fehlte noch der Begriff des Orga-
nischen, welcher die Schönheit als die höchste Stufe
llzttllfllßllßl" Entfaltung der Lebewesen erkennen lasst.
Was Kant dafür Entscheidendes in seiner ..,Kritik der
Urteilskraft" geleistet hat, was (Üäroethe, Schiller, Wilhelm
Humboldt von ihm empfangen und weiter ausbilden durften,
das konnte Winckehnann nicht irorausnehmen; auch von
dem genialen Geist darf man nicht fordern, dass er in
jeder Richtung über seine Zeit hinauswachse. Für
die Art Wie Winckelniann seine Schönheitstheorie auf
die Betrachtung der Kunst des Altertums anwandte,
pflegt als typisch angeführt zu werden, dass er als Kenn-
zeichen der griechischen Meisterwerke ,.eine edle Einfalt
und stille Grösse" rühmte. Auch mit diesem Ausspruch
hat die gleiche Bewandtnis wie mit den beg'eisterte11
Schilderungen der Bclverlere-Statuen; er stammt nicht
aus der Kunstgeschichte, sondern aus einer Schrift, welche
Nhlinckelnizinn, noch bevor er Rom gesehen, erscheinen
liess. 4) Hiemit soll nicht gesagt sein, dass er ihn später
verleugnet habe; aber erweitert. hat sich seine Anschau-
ung) durch das weitere historische Studium dennoch.
Niemals aber hat er den Ausdruck selbst in dem ärm-
lichen Sinne gebraucht, wie man ihn später oft ihm schuld
gegeben hat. Dass unter der Stille nicht Unbewegliizh-
keit, unter der Einfalt nicht Eiuförmigkeit zu verstehen
sei, zeigt schon die gleichzeitige Schwärmerei für die
Tiaokoongruppe. Ueberhaupt sind die Aussprüche bedeuten-'
der "Männer über so subtile Probleme nie aus den abge-
brauchten Wortbedeutungen der Alltagsspra-che zu ver-
stehen; es ist vielmehr zu berücksichtigen, dass sie für
ihre Gedanken nicht umhin können sich dieser Ausdrücke