Dir
letztm
Periode
klassischer
Kuustiilm
177
und Dorothea zu schreiben wagte, in unserem, seiner Natur
nach nicht schöpferischen Zeitalter, sei für die Wieder-
belebung; alter Dichtungen, die Umkleidungr derselben
mit allem Schmuck gebildeter Sprache und Versiiikation
gewiss eine der glücklichsten Bereicherungen, welche die
Poesie erhalten könne; es sollte damit Sophie Bern-
hardfs "Florio und Blanscheflur" Goethe _als Muster vor-
gehalten worden. Andererseits waltete doch wohl zu-
gleich die Hoffnung ob, den nicht zu stürzenden Meister
der deutschen Litteratur, welcher den Schlegels immer
eine gewisse Nachsicht bewiesen hatte. vielleicht doch
für sich gewinnen zu können, besonders nachdem der
unerbittlich feindselige Schiller vor wenigen Monaten
gestorben war. So ist in diesem Brief denn auch Klas-
sisches und Romantisches in sehr geschickter Art ge-
mischt; aber freilich nur mit formeller Geschicklichkeit;
denn inhaltlich ist auf diese Weise ein ziemlich unglück-
liches Gemengsel entstanden, aus welchem klare Grund-
sätze nicht zu entnehmen sind. Am schärfsten tritt die
romantische Neigung; natürlich auf dem poetisch-litterae
rischen Gebiet hervor, wo sich Schlegel ganz zu Hause
fühlen durfte; der Bat an die Dichter, mittelalterliche
Gedichte umzubilden, stimmt völlig überein mit einer
Betrachtungsweise, welche von der vatikanischen Biblio-
thek hauptsächlich Ausbeute für mittelhochdeutsche Dich-
tungen erhoffte. Dagegen Wandelt in Beurteilung der
Plastik der Berichterstatter ganz in den Bahnen der
Klassik; was er an Canova auszusetzen hat, wird voll-
kommen aufgewogen durch die begeisterte Bewunderung,
welche er Thorwaldsen zollt. Am interessantesten und
am feinsten abgewogen sind seine Aussprüche über die
Malerei, welche ja schon zum Gegenstand heftiger Meinung-s-
kanipfe geworden war. Das Schwebende und Nebelhafte
der Romantik aussert sich unverkennbar, wenn Schlegel
Wallis' Ossianlandschaften rühmt; vollkommen offenbart
sich aber der Gegensatz zu klassisch-gesunder Kunstauil
fassung, wenn er schreibt: „Ist die Kunst überhaupt
etwas Anderes, als die Mittheilung' eines tieferen geistigeren
H21 rnnclc, Knnstleben. 12