XIV
Einleitung.
reiner menschlicher Gesundheit und Freudigkeit. Aber
wo war es zu finden? Griechenland lag unter dem tür-
kischen Joch, die italienischen Republiken und Monar-
chieen trugen den Charakter moderner Polizeistaaten:
sollte der Kirchenstaat etwa der Sitz der Humanität
sein? Er schien das direkte Gegenteil! aber trotzdem
fand sich in ihm die Freiheit, Welche ermöglichen konnte,
ein Leben nach eigenen Idealen sich zu gestalten. In-
quisition und Indexkongregation hinderten daran nicht;
mit gewissen äusseren Gebrauchen der katholischen Kirche
musste man sich freilich abiinden. Tat man das aber. so war
man unter dem patriarchalischen geistlichen Regiment nicht
nur von allem Zwang verschont, welchen der moderne Staat
damals schon straff genug anspannte, sondern war auch
durch das Zusammenströmeii einer völlig kosmopolitischen
Gesellschaft in eine ganz andere gesellschaftliche Existenz
versetzt, als sie in dem unerbittlichen, nicht zu sprengen-
den Kastenwesen der Heimat möglich war. Gelehrte
und Künstler, welche nach dem Vorbild der beiden lllänner.
die wir schon oft genannt, nach Rom zogen, fanden er-
füllt, was sie nur im Traum zu hoffen gewagt hatten;
sie glaubten sich in einer glücklichen Zauberwelt und
gaben ihrem Entzücken in Briefen und Tagebüchern einen
Ausdruck, der noch heute nicht seine Frische und fort-
reissende Lebendigkeit. Verloren hat.
Für die Entwickelung dieser idyllischen Verhältnisse
war besonders der Pontiiikat des milden und weitherzigen
Benedikt XIV von günstiger Wirkung (1740-1758); unter
ihm war es, dass Winckelinaiin und Mengs in Rom eintrafen.
An der glänzenden Stellung, welche sich beide dort er-
warben und welche sie für Menschenalter hinaus auf
ihre Landsleute vererbten, hatten indess beide auch per-
sönlich das vollste, nicht hoch genug' zu schatzende Ver-
dienst. Denn waren die damaligen Römer auch von
Natur g'leiclig'iltig' und duldsam, so waren sie doch von
hohem Selbstgefühl erfüllt, und besonders in Kunstszichen
war es ihnen ein Dogma, dass Italien den ersten Rang
einnehme und dass einem Nordlanrler weder ein ge-