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Achter
Abschnitt.
In solchen Zeiten, wie wir sie eben geschildert, von
Kunstpilege zu reden, scheint fast ein übler Scherz. Und
doch konnte die Kunst auf diesem ihr geweihten Boden
auch in diesen Bedrangnissen nicht ersterben. Freilich
der grosse (Jan o va hatte schon 1798 missmutig der
Stadt. den Rücken gekehrt. und war nach seiner vene-
zianischen Heimat g'ez0g'en. (älenifitigt dazu war gerade
er am wenigsten; denn die französischen „Befreier" be-
handelten ihn mit ausgesuchter Rücksicht; den Ton dazu
hatte schon General Buonaparte angegeben, als er nach
der Besetzung Venedigs dem Künstler zugesichert hatte,
die bisher von der Republik ihm gezahlte Pension auch
fernerhin zu gewähren. „Die französische Nation
legt grosses Gewicht auf die hohen 'l'alente. welche Euch
auszeichnen", hatte er geschrieben. 5) Vermutlich dachte
der Eroberer schon damals daran, sich durch den Meissel
des berühmten Bildhauers verewigen zu lassen. Aber
wie schon gesagt, Canova liess sich durch kein Entgegen-
kommen von französischer Seite in Rom halten, und
brachte die folgenden Jahre im N7enezianischen zu. In
dieser Zeit unternahm er mit dem Senator Rezztmico eine
Reise nach Deutschland, wo er überall in München. Dresden,
Berlin auf's ehrenvollste empfangen wurde. ln der öster-
reichen Hauptstadt, welche seinen Theseus schon besass.
dachte man ihn ganz zu fesseln, was um so leichter schien,
als Venedig; eben mit der österreichischen Monarchie ver-
einigt worden war. Allein ("Janova gieng; (lälfzlllf nicht
ein; doch übernahm er damals für Wien eines seiner
schönsten Werke, das Grabmal der Erzherzogiii lliiaria
Christina, auszuführen. Zugleich steigerte er seinen Ruf
in dieser Zeit bedeutend durch ein ganz anderes leiden-
schaftliches Werk, den rasenden Herkules, der den Lichas
in den Abgrund schleudert, eine mächtige Schöpfung,
mit der er Zeugnis ablegte, dass er auch das Kräftige und
Gewaltige leisten konnte, wenn man freilich auch die
Anstrengung, die es ihm lgekostet, der Gruppe allzusehr
anmerkt. 7) Unter den grössten Ehrenbezeugungen kehrte
(lanova nach dem Einzug' Pius VII. nach Rom