Einleitung:
XIII
unbebaut. teils mit anspruchslosen. von der Cultur kaum
berührten Bauten bedeckt, stellten sich die Ufer des
Tiber dar. An den beiden Hafen der Ripetta und der
Ripa (irande spielte sich ein lebhafter, aber einfacher
Schiifs- und Handelsverkehr der umwohiiendeii Bevöl-
kerung ab. Mittels Ueberiahrt bei der Ripetta oder die
Engelsbrücke überschreitend gelangte man nach dem
Petersplatze, dessen Gesammteintlriick schon damals der
gleiche war wie heute und welcher zusammen mit der
Peterskirche den grossartigsten Bau-Anlagen des Alter-
tums ebenbürtig schien. Vom Vatikan war der eigent-
liche päpstliche Palast im Wesentlichen schon vollendet;
aber von den grossen Museumsbauten existierte nur ein
geringer Teil und das Belvedere mit den in fast religiöser
Ehrfurcht bewunderten Statuen des Laokoon und Apollo
stand noch vereinzelt. Auch eine „,Pinak0thek" gab es im
Vatikan noch nicht; RafaePs und Michel Angeles Fresken
machten ihn dennoch zur höchsten Stätte malerischer
Kunst; aber die Verklärung Rafaels schmückte noch den
Hochaltar von S. Pietro in lllontorio, die Madonna di
Foligne den von Araceli. In der Campagna lag noch in
ehrwürdiger Einsamkeit die den [lrzeiten des Christen-
tums entstammte Basilika von San Paolo und vom Gipfel
des Monte Cavo, zudem die antike Tlriumphavlstrasse em-
porführte, winkte noch der Tempel des Jupiter Latiaris.
Aber nicht nur die Grösse der Natur und Geschichte
wirkte wie eine beglückende (lflenbarung' auf einen Mengs
und Winckelmann; auch die Weite und Freiheit des
menschlichen Daseins, welche sie hier empiiengy schuf
ihnen eine ungeahnt glückliche Existenz. Der Drang
nach dem Altertum war zu einem grossen Teil ja nichts
anderes als das Verlangen nach natürlichem Leben und
lebendiger Naitürlichkeit, hinaus aus der erst-ickenden
Oonvenienz und dem irerkünnnernden Formenzxiraiig",
welcher auf der deutschen Gesellschaft lastete, welche
die an sich schon genügend despotische, französische Hof-
sitte noch in's Kleinliche und Spiessbiirgerliche ver-
schlimmert hatte. Das Ailtertuni erschien als die Zeit