Einleitung.
XI
sie nur in Rom erreichen konnten. Mengs wollte sich
durch Kopiren der Meisterwerke der Malerei in seiner
Kunst ausbilden; Winckelmann wollte die Kunstschätze
des Altertums studiren. Beide verlangten nach einem
Besitz. welchen die Stadt umschloss; nicht nach der
Stadt selber. Aber Beide wurden sie dort von der Ge-
sammtheit der Eindrücke so erfasst, dass sie in dem Auf-
enthalt in Rom die Bedingung ihres dauernden Lebens-
glückes erkannten. Mengs hatte unter den vorteilhaftesten
Umständen nach Dresden zurückkehren können; er tat
es nicht; er wair von Karl HI. nach Madrid gezogen
worden, wurde mit Gnaden überhäuft, hatte Arbeit die
Fülle und daneben auch zur Betrachtung und Nach-
ahmuug- die reichsten Bilderschatze; dennoch kehrte er
zweimal nach Rom zurück, indem er die Gnade des
Königs und seine ganze Stellung' aufs Spiel setzte, und
war glücklich in Rom sterben und auf dem Kirchhof der
,.Sachsen" bestattet werden zu (lürfen. Winckelmanns
Briefe strömen über von den trersizliietlenartigsten ÄVen-
(hingen. in denen er das Glück seines römischen Daseins
schildert, und zwar nicht nur in der Befriedigung seiner
wissenschaftlichen Interessen, sondern im Gefühl seines
unbefangenen menschlichen Daseins. ,.Alles ist nichts
gegen Rom" schreibt er. Denen, die in der schweren.
erstickenden Luft des Nordens atmen, Weiss er nichts
besseres zu wünschen als ein baldiges Ende, während er
entzückt ausruft: „O selige Freiheit, die ich endlich im.
völligen Genuss in Rom schöpfen kann!"
Wie war nun die Stadt beschaffen, welche beiden
lllannern als das irdische Paradies erschien? Dem TPotal-
eindruck nach war Rom damals eine moderne Stadt; es
trug nicht den Charakter des Mittelalters oder der Re-
naissancezeit wie Siena oder Florenz, sondern die Bauten
des ausgehenden sechszehnten und siebzehnten Jahrhun-
derts hatten ihm die bestimmenden Züge gegeben. Ein
Borroniiiii, ein Maderna hatten hier geleistet, was die
Phantasie einer in Geschmacksvertlerbnis versunkenen
Zeit nur Abstossendes ersinnen konnte. Das moderne